Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Arkady«, meinte Stellan zustimmend. »Aber dieser Mann ist kein Dummkopf. Er will einen glücklichen Zufall ausnutzen, um seinen Kopf zu retten.«
»Aber wie denn? Du sagst doch, er sei schon verurteilt worden.«
»Und eigentlich müsste er jetzt tot sein«, stimmte Stellan zu. »Das Problem besteht darin, dass wir ihn ohne einen neuen Prozess und einen neuen Hinrichtungsbefehl nicht noch einmal hängen können.«
»Er besteht darauf, ein Gezeitenfürst zu sein«, fügte Declan hinzu. »Und er fleht uns an, es noch einmal zu versuchen … ihn noch einmal hinrichten zu lassen.«
»Dann ist er selbstmordgefährdet? Bei einem Hinrichtungskandidaten dürfte das doch kein Dilemma bedeuten.«
»Aber der Staat kann nur geistig voll zurechnungsfähige Täter hinrichten lassen, Arkady«, erklärte Stellan. »Master Hawkes vermutet – und da bin ich mit ihm einig –, dass dieser plötzliche Ausbruch von Wahnvorstellungen Lakeshs Strategie ist, sich einer zweiten Hinrichtung zu entziehen. Und wenn der caelische Gesandte davon Wind bekommt, wird er auf seiner Freilassung bestehen.«
»Aber warum sollte er? Es geht hier doch immerhin um einen mehrfachen Mörder.«
»Nach caelischem Recht bedeutet eine erfolglose Hinrichtung die Freilassung des Delinquenten. Freilassung und Freispruch in allen Anklagepunkten. Wer seine Hinrichtung überlebt, ist ein freier Mann. Und in diesem Fall werde ich entschieden dagegen vorgehen. Ich kann nicht zulassen, dass so ein dahergelaufener caelischer Wagenbauer uns an der Nase herumführt und unsere Gesetze missbraucht, wie es ihm in den Kram passt.«
»Wie kann er das?«
»Wenn er sich Unzurechnungsfähigkeit bescheinigen lässt, können wir ihn nicht hinrichten.«
Arkady zuckte mit den Schultern. »Und was hat das alles mit mir zu tun? Warum sperrst du ihn nicht einfach irgendwo in eine Anstalt? Du hast doch sonst auch keine Skrupel, dir Probleme vom Hals zu scharren.«
Stellan klang missbilligend. »Nun, zum Ersten habe ich nicht die Absicht, publik zu machen, dass man in Lebec dem Strang entkommt, indem man sich verrückt stellt.«
»Und zum Zweiten«, fügte Declan hinzu, »sucht der caelische Gesandte schon seit fast einem Jahr nach einem Anlass, eine diplomatische Krise zwischen Caelum und Glaeba zu inszenieren – seit der König das Angebot der Caelaner abgewiesen hat, Prinz Mathu mit Prinzessin Nyah zu verheiraten. Diese Geschichte hier könnte ihm einen liefern.«
Arkady erinnerte sich gut an den Vorfall. Eine Verbindung zwischen Caelum und Glaeba durch Heirat wäre politisch durchaus wünschenswert. Jedoch war der Kronprinz von Glaeba ein strammer Jüngling von neunzehn Jahren, dem die Aussicht auf eine Zwangsehe mit einer achtjährigen Braut gewaltig gegen den Strich ging. Damit die Eheschließung nach caelischem Recht gültig war, musste binnen Monatsfrist der Beweis erbracht werden, dass die Ehe tatsächlich vollzogen war. Der König hatte Stellan nach Caelum beordert, um den Nachbarn so taktvoll wie möglich beizubringen, dass ein solches Arrangement in Glaeba nicht nur unpassend und peinlich wirkte, sondern zudem als unmoralisch galt. Wenn die Königin von Caelum wünschte, dass Glaeba die Prinzessin als künftige Heiratskandidatin für den Kronprinzen in Betracht zog, würde der König das Angebot mit Freuden annehmen, sobald die junge Braut ein passenderes Alter erreicht hätte.
Es zeugte von Stellans diplomatischem Geschick, dass es ihm glückte, das Angebot im Namen des Königs von Glaeba abzulehnen und dennoch mit dem Kopf auf den Schultern die Heimreise anzutreten, ohne dass die Allianz zwischen Caelum und Glaeba zerbrach. Aber beim Volk von Caelum war doch ein unmutiger Nachgeschmack zurückgeblieben. Viele glaubten, dass König Entenys Ablehnung weniger kulturelle Unterschiede zugrunde lagen, die eine solche Verbindung unmöglich machten, sondern vielmehr die Tatsache, dass ihre Prinzessin Nyah den verdammten Glaebanern nicht gut genug war.
»Jetzt frage ich noch einmal – was erwartet ihr von mir?« Arkady war klar geworden, dass es wirklich nicht um einen Scherz ging, sondern um eine äußerst ernste Angelegenheit.
»Du beschäftigst dich bei deinen Forschungen mit den Crasii«, erinnerte Declan sie. »Du weißt eine Menge über ihre mündliche Überlieferung zu den Gezeitenmagiern.«
»Dabei handelt es sich um Mythen«, versicherte ihm Arkady. »Und das ist auch schon alles, was ich darüber weiß.«
»Dein Gemahl sieht das anders.«
Arkady sah
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