Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Dekerman. Ein alter Freund von Stellan. Einer der Dekermans aus Herino, vermögend, gelangweilt und blasiert.
Vor etwa achtzehn Monaten war er mit seiner ebenso gelangweilten und blasierten Gattin nach Lebec gezogen, um das Amt des Präfekten anzutreten. Eigentlich war es nur ein symbolischer Titel. Der Fürst von Lebec war die eigentliche Macht hinter der Präfektur, und jeder wusste das. Aber als offizieller Vertreter der Krone verlieh der Präfektentitel Dekerman soziales Ansehen und das Recht, gehört zu werden, auch wenn niemanden interessierte, was er zu sagen hatte.
»Die Theorie, dass eine obskure Allmacht eine Apokalypse über Amyrantha gebracht haben soll«, näselte der Präfekt, »ist nicht nur empörend, sie ist geradezu absurd.«
»Aber wenn sie wahr ist, werden wir eines Tages feststellen können, was diese Katastrophe ausgelöst hat«, bemerkte Andre. »Vielleicht werden wir sogar in der Lage sein, eine erneute Katastrophe dieser Art zu verhindern.«
Joal Dekerman sah Arkady einen Augenblick lang neugierig an. »Denkt Ihr wirklich, dass es die Gezeitenmagier waren?«
Arkady konnte nicht anders, sie musste lächeln. »Ich arbeite mit Fakten, Präfekt Dekerman, nicht mit Hirngespinsten.«
Er lächelte zurück und hob sein Glas in ihre Richtung. »Dann habe ich Euch wohl falsch eingeschätzt, Euer Gnaden. Bitte, vergebt mir meine Unwissenheit.«
In der kurzen Stille, die auf Dekermans Entschuldigung folgte, klatschte Tilly Ponting laut in die Hände und verkündete: »Nun, meine Lieben … ob die Gezeitenmagier die große Katastrophe verursacht haben, weiß ich nicht, und einen Crasii kann ich nicht von einem Ark unterscheiden, aber eines kann ich mit Sicherheit: in Eure Zukunft schauen! Wer möchte, dass ich ihm die Karten lege?«
Mit einem erleichterten Lachen bekundete rund ein halbes Dutzend Gäste Interesse, sich von Tilly die Zukunft vorhersagen zu lassen, und als sich die ersten Kandidaten begeistert von ihren Stühlen erhoben, verlagerte sich die Konversation zu weit ungefährlicheren Themen.
Meine liebe Tilly, dachte Arkady und schob müßig die Trüffelterrine auf ihrem Teller hin und her, ohne einen Bissen davon zu nehmen. Sie mochte keine Trüffel, aber sie waren eine teure Delikatesse und somit fester Bestandteil des fürstlichen Speiseplans. Du bist „wahrlich jeden einzelnen deiner teuren Klunker wert. Purpurrotes Haar hin oder her, das war der Grund, warum Tilly Ponting so oft im Palast eingeladen war – auf sie war immer Verlass. Sobald es heikel wurde, lenkte sie die Konversation in unverfängliche Bahnen.
Vom anderen Ende des Tisches lächelte Stellan sie an und wandte sich dann wieder seiner Diskussion mit Jaxyn Aranville zu, der extrem selbstzufrieden wirkte. Arkady verspürte eine Anwandlung von Hass auf den jungen Mann und die Gefahr, die er für sie verkörperte. Sie wusste auch, dass es nichts gab, was sie dagegen tun konnte.
Aber für den Moment war immerhin an ihrem Tisch die Gefahr gebannt, und Arkady konnte endlich wieder ihr perfektes Gastgeberinnenlächeln aufsetzen und den Vorsitz fuhren über die perfekte Tafel in ihrem perfekten Palast, mit ihrem perfekten Gemahl, der sie voller Zuneigung anlächelte. Sie wusste, dass jede einzelne der anwesenden Damen sie inbrünstig beneidete. Denn zumindest für Außenstehende führte die Fürstin von Lebec ein vollkommen perfektes, wundervolles Leben.
Etwas später, als sich die Gesellschaft in die Bibliothek begeben hatte, wo Tilly ihre Wahrsagerinnenkünste vorführte, wies Arkady ihre Sklaven an, Kaffee und Brandy dort zu servieren, und folgte dann ihren Gästen. Sie ließ sich in einem Sessel am Fenster nieder und sah der allgemeinen Belustigung zu. Umgeben von ihrem bewundernden Publikum klärte Tilly soeben atemlos die völlig gebannte Kylia Debrell darüber auf, dass sie innerhalb der nächsten fünf Jahre definitiv einen großen, dunklen, gut aussehenden Fremden heiraten würde.
Damit liegt sie ganz gut, dachte Arkady, Kylia wird zweifellos mit irgendeinem glaebischen Junker verheiratet, sobald sie achtzehn ist.
»Es tut mir leid, was Jaxyn vorhin gesagt hat.«
Arkady sah über die Schulter und bemerkte, dass ihr Gemahl hinter sie getreten war. Stellan Desean war nur wenig größer als Arkady, aber er war ein durchtrainierter, attraktiver Mann, mit seiner karamellbraunen Haut und den dunklen, glaebischen Augen ein wahres Prachtexemplar glaebischen Hochadels. Die Glaebaner waren schöne Menschen. Ein
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