Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
zu Stellan hinüber und fragte sich, was er ihrem alten Freund noch alles erzählt hatte. »Selbst wenn ich damit gut vertraut wäre, Declan – was übrigens nicht der Fall ist –, verstehe ich immer noch nicht, was ein altes Kindermärchen, an das du meines Wissens selbst nicht glaubst, mit diesem Spinner zu tun haben soll.«
Jetzt war es Stellan, nicht Declan, der ihr antwortete. »Declan hat angeregt, du könntest vielleicht nachweisen, dass der Mann lügt.«
»Und darüber hätte ich gerne deine Expertise für seinen nächsten Prozess.«
Arkady schüttelte den Kopf. »Ich bitte euch. Er behauptet, ein Gezeitenmagier zu sein. Das sagt doch schon alles, findet ihr nicht?«
»Mit der Lüge können wir leben, Arkady«, entgegnete Stellan. »Ich will vermeiden, dass er erfolgreich auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert.«
Arkady war alles andere als überzeugt. »Da muss es doch bessere Kandidaten geben. Wie wäre es mit Andre Fawk? Er ist viel qualifizierter als ich. Und, bei den Gezeiten, Declans Großvater weiß mehr über die Crasii als jeder andere Mensch. Warum fragt ihr nicht ihn?«
»Andre lebt nicht hier in Lebec«, sagte ihr Gemahl. »Er hat Verpflichtungen in Herino, die er nicht vernachlässigen darf. Und einen anderen Experten aus der Hauptstadt kommen zu lassen wird Tage dauern und den caelischen Gesandten unnötig auf unser Problem aufmerksam machen. Das können wir nicht riskieren. Nicht, solange wir keinen handfesten Beweis erbracht haben, dass dieser Mann nur vorgibt, unzurechnungsfähig zu sein, um seiner Hinrichtung zu entgehen.«
»Was meinen Großvater angeht …« Declan zögerte einen Augenblick, dann zuckte er die Schultern. »Du bist einfach glaubwürdiger als er. Schließlich bist du die Fürstin von Lebec und renommierte Historikerin. Und Großvater ist nur ein alter Mann aus den Elendsvierteln.«
Arkady runzelte die Stirn und fragte sich, was geschehen musste, damit sich Declan endlich mit seinem Großvater aussöhnte. Dann lächelte sie ihn spitzbübisch an. »Ihr habt die Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, dass er vielleicht die Wahrheit sagt?«, neckte sie. »Vielleicht ist er ja wirklich unsterblich.«
Declan ging nicht darauf ein. »Ich bitte dich, Arkady, das ist kein Spaß. Wirst du es tun?«
Arkady zögerte immer noch. Es war keine leichte Entscheidung. Sie hatte kein besonderes Interesse daran, Zeit mit einem kaltblütigen Mörder zu verbringen, der eine ganze Familie auf dem Gewissen hatte. Offenbar hatte er seine Opfer auch noch zufällig ausgewählt. Man hatte ihn auf frischer Tat ertappt, und als Motiv hatte er angegeben, dass er sie ›beneidete um ihre Fähigkeit zu sterben‹. Das war selbst bis zu Arkady vorgedrungen, der Fall hatte über Monate ganz Glaeba in Atem gehalten.
Aber rein beruflich war für sie jede Gelegenheit, sich als etwas anderes zu profilieren als die Gemahlin des Fürsten von Lebec, zu wertvoll, um sie auszuschlagen. Vermutlich war das auch der Grund, warum Declan ihr diese Aufgabe antrug und nicht einem qualifizierteren Wissenschaftler. Declan wusste besser als jeder andere, wie sehr sie darum kämpfte, ernst genommen zu werden.
Langsam nickte sie. »Ich denke schon.«
»Wie lange wirst du brauchen?«, fragte er.
Arkady zuckte mit den Achseln. »Kommt drauf an, was du als Beweis gelten lässt. Wenn ich ihn eine Stunde lang befrage und dann bei seinem Prozess als Gutachterin aussage, dass er meiner Meinung nach nur vortäuscht, verrückt zu sein, wird sein Verteidiger einfach einen Gegengutachter bestellen, der genauso glaubwürdig das Gegenteil behauptet. Und wenn sich der caelische Gesandte einschaltet, kannst du dich darauf verlassen, dass der Gegengutachter bessere Referenzen hat als ich. Um es richtig zu machen, müsste ich ihn wohl dazu bringen, dass er sich verrät. Ich müsste die Widersprüche in seiner Darstellung entdecken und herausarbeiten.«
»Wie lange würde das dauern?«
»Wenn er die Sache nicht vollständig durchdacht hat, nur ein paar Minuten«, überlegte sie. »Aber wenn er seine Geschichte gut ausgearbeitet hat, kann es Monate dauern.«
»Mit diesem Unsinn, dass er ein Gezeitenmagier ist, hat er erst bei seiner Hinrichtung angefangen«, sagte Declan. »Bis dahin war er einfach ein Gefangener wie alle anderen auch und hat mit keiner Silbe behauptet, unsterblich zu sein.«
»Dann sollte es nicht allzu lange dauern«, meinte sie. »Wann soll ich mit ihm reden?«
»So bald wie möglich«, riet Stellan. »Lange
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