Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
begründete, und seit Tryan vor achttausend Jahren Kordanien von der Landkarte Amyranthas gefegt hatte, war es auch noch ein ziemlich inhaltsloser Titel.
Aber Cayal sah so aus, wie man sich einen Prinzen vorstellte – es machte Diala großes Vergnügen, Jaxyn bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen –, und man erwies ihm allein schon aufgrund seiner Erscheinung mehr Respekt, als er verdiente. Und dann stellte sich auch noch heraus, dass der dämliche Glückspilz die Gezeiten lenken konnte. Das war wie Salz in Jaxyns offenen Wunden. Er konnte sie nicht bloß beeinflussen. Er konnte sie beherrschen. Ein echter Gezeitenfürst mit der ganzen Macht seiner Zunft. Vermutlich annähernd so stark wie Lukys, um mal bei der Wahrheit zu bleiben.
Die Ungerechtigkeit des Ganzen ließ Jaxyns Zähne knirschen und führte dazu, dass die beiden sich schon seit ihrer ersten Begegnung nicht vertrugen. Und in den letzten paar Jahrtausenden war nichts geschehen, was diesen Groll verringert hätte.
»Sieh an, sieh an«, sagte Cayal und lächelte herablassend. Jaxyn wusste genau, dass er ihn damit nur reizen wollte, trotzdem machte es ihn rasend. »Wie ich höre, versuchst du dich als Liebchen eines Edelmannes? Meine Güte, wie tief die Mächtigen doch gesunken sind.«
»Wo steckt dein Liebchen?«
»Wer? Ach, du meinst die Fürstin? Sie ist drinnen und wartet darauf, dass du sie retten kommst. Du solltest diesen Tag gut im Gedächtnis behalten, Jaxyn. Das war das erste Mal, dass ich erlebt habe, wie sich jemand ehrlich freute, dich zu sehen.«
Jaxyn war skeptisch. »Du meinst, du hast nicht von den Wonnen der Fürstin von Lebec gekostet? Das ist schwer zu glauben.«
»Sie redet zu viel«, sagte Cayal achselzuckend. »Bitte, du kannst sie haben. Ach … dein Geschmack geht ja zurzeit in eine andere Richtung. Was ist passiert, Jaxyn? Es gibt wohl keine Frauen mehr, die sich nicht erbrechen, wenn du sie berührst?«
»Du hältst dich ja für so verdammt schlau, nicht?«, fauchte er und war selbst ein wenig erstaunt, wie leicht Cayal ihn reizen konnte. »Immerhin hat mich noch niemand zu hängen versucht, Cayal – und wenn du nicht stehen bleibst, lasse ich dich von einer der Damen hier ausweiden.«
Cayal hatte sich langsam, fast unmerklich von der Hütte wegbewegt. Er blieb stehen. »Bildest du dir ein, ich lasse mich von dir nach Lebec zurückbringen?«
»Eigentlich hoffe ich inständig, dass du Widerstand leistest. Ich möchte liebend gerne zusehen, wie dich zwei Dutzend Crasii in Stücke reißen.«
»Aber nicht auf meinem Grundstück«, erklärte Maralyce. Mit schwarz verschmiertem Gesicht entstieg sie ihrer Mine, und ihre Augen funkelten wütend im Licht der Fackeln.
»Maralyce!«, rief Jaxyn mit aufgesetzter Begeisterung. »Wie schön, dich wiederzusehen!«
Sie ließ Seil und Spitzhacke auf den Boden fallen und starrte ihn finster an. »Dachte schon, etwas in den Gezeiten stinkt so faulig. Was willst du hier, Jaxyn?«
»Ich komme deinen Gast abholen«, sagte er. Mit Maralyce war er auch nie sonderlich gut ausgekommen. Er wusste nicht genau, warum. Dass sie Cayal regelmäßig unter ihrem Dach duldete, obwohl sie sonst kaum einen Unsterblichen in ihre Hütte ließ – schon das wurmte ihn. »Cayal war ein böser Junge, Maralyce. Hast du es nicht gehört? Man sucht ihn wegen Mordes. Sie haben ihn schon einmal gehängt. Ich glaube, sie wollen es weiter versuchen, bis sie Erfolg haben – das dürfte recht unterhaltsam werden, meinst du nicht?«
»Runter von meinem Grundstück.«
»Nicht ohne meinen Gefangenen.«
Cayal lachte ihn tatsächlich aus. »Ich bin nicht dein Gefangener.«
»Das werden wir ja sehen.« Er ging einen Schritt auf Cayal zu, doch bevor er irgendetwas tun konnte, frischte der Wind plötzlich auf. Staub und feiner Kies wirbelte durch die Luft, stach in die Augen und zwang die Crasii, ihre Gesichter zu bedecken. Die Gewalt der unnatürlichen Böen löschte mehr als die Hälfte der Fackeln aus. Die meisten übrigen lagen zischend auf dem Boden und verloschen, weil die Crasii sie beim verzweifelten Versuch, ihre Augen vor dem wirbelnden Kies zu schützen, fallen gelassen hatten.
»Lasst ihn nicht aus den Augen«, rief Jaxyn wütend und besann sich auf seine Macht, um die plötzlichen Windstöße zu bändigen. Binnen eines Augenblicks erstarb der Wind, doch als sich der Staub gelegt hatte, war Cayal verschwunden.
»Idioten!«, brüllte er und ohrfeigte die am nächsten stehende Felide, die unter den
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