Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
war, war sie viel zu besorgt, um zu hören, was die alte Frau erzählte.
»Was?«
»Die Crasii«, erklärte die alte Frau und deutete auf die drei Feliden, die Arkady bewachten. »Diese erbärmlichen Missgeburten. Sie folgen meinen Befehlen ebenso wie denen der beiden anderen. Wenn du willst, kann ich sie alle von einer Klippe springen lassen.«
»Danke«, erwiderte Arkady und nestelte nervös an sich herum. »Aber sie können gar nichts dafür. Und ich muss ja irgendwann noch nach Hause zurück.«
»Du nimmst an, dass Jaxyn als Sieger rauskommt?«
Arkady zögerte und wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war halb verrückt vor Angst und bösen Vorahnungen und zerbrach sich den Kopf, was wohl unter der Erde geschah. Wer hatte die Oberhand? Ob Cayal sich überhaupt wehrte?
»Ich glaube, das entspricht Cayals Absicht«, sagte sie schließlich.
»Unnötiger Aufwand, wenn du mich fragst, die ganze verdammte Sache. Kämpfen sie zufällig wegen dir?«
Diese Vermutung ließ Arkady lächeln. Als ob sie in den Plänen zweier Unsterblicher eine Rolle spielte. »Kaum. Jaxyn ist mehr an meinem Gemahl interessiert, und Cayal …« Ihre Stimme verlor sich. Nicht etwa, weil sie sich wegen Cayal unsicher war, sondern vielmehr, weil Arkady nicht fassen konnte, dass sie innerhalb einer Stunde zwei völlig Fremden ein Geheimnis anvertraut hatte, das sie jahrelang vor allen, die sie kannte, gehütet und nicht mal ihren besten Freunden verraten hatte, und zwar schon länger, als sie mit Stellan verheiratet war.
Es musste etwas mit der Bürde der Unsterblichkeit zu tun haben, die ihre Geheimnisse irgendwie bedeutungslos erscheinen ließ.
»Ihr könntet ihnen vielleicht befehlen, nicht weiterzusagen, was ich Euch gerade erzählt habe«, bat Arkady. Nervös vergegenwärtigte sie sich, dass sie nicht nur Stellans Geheimnis ausgeplaudert hatte, sondern obendrein noch mit drei Crasii im Raum.
Die alte Frau lächelte. »Ihr habt die Fürstin gehört«, wandte Maralyce sich an die Feliden. »Ihr gebt niemals ein einziges Wort von dem weiter, was wir hier besprechen, verstanden? Weder untereinander noch gegenüber einem anderen Gezeitenfürsten. Ist das klar?«
Die drei Feliden nickten, ohne zu blinzeln, ihre Augen funkelten im Kerzenlicht.
»Na, bitte. Sie würden jetzt eher sterben als auch nur ein Wort sagen, obwohl ich glaube, dass deine Sorge unnötig ist.«
»Wieso das?«
»Du sagst, Jaxyn lebt seit fast einem Jahr in eurem Palast. Wenn das so ist, dann weiß der eine Gezeitenfürst, der die Macht hat, deinen Mann durch Enthüllung seines Geheimnisses zu vernichten, schon lange über ihn Bescheid. Ich würde sagen, das Kind ist längst in den Brunnen gefallen.«
Ehe Arkady antworten konnte, erzitterte heftig der Boden, und sie hörten in einiger Entfernung ein schwaches Rumpeln. Sie krallte sich vor Schreck in die Tischkante, sah Maralyce an und fragte sich, ob die alte Frau wusste, was das Beben zu bedeuten hatte. Es dauerte nur kurz, aber das genügte, damit Maralyce fluchend auf die Beine kam.
»Ich hab die Jungs gewarnt …«, murmelte sie, ließ mit einem Wink ihres Arms die Tür aufspringen und stürmte in den Hof hinaus.
Arkady blickte zu den Feliden hinüber. »Was war das?«
»Ich weiß es nicht, Euer Gnaden«, sagte die Getigerte zu ihrer Rechten. »Vielleicht ein Erdbeben?«
»Oder ein Einsturz«, keuchte sie und sprang auf die Füße, um Maralyce zu folgen. Cayal …
Es musste mittlerweile weit nach Mitternacht sein. Arkady eilte auf den Hof. Die Nacht war klar, aber ihr Atem dampfte, als sie zu Maralyce aufschloss. Umringt von den verbliebenen Crasii, die Fackeln hochhielten, um den Eingang zu beleuchten, starrte die alte Unsterbliche auf den Mineneingang, als wartete sie darauf, dass noch etwas passierte.
»Was ist los?«
»Einsturz vermutlich«, sagte die alte Bergarbeiterin. »Wir müssen eine Weile warten, damit das alte Mädchen sich setzen kann, bevor wir sie wieder stören.«
»Glaubt Ihr …?«, begann Arkady, mochte aber ihre Befürchtung nicht laut aussprechen.
»Also, tot sind sie nicht. So viel kann ich garantieren«, sagte Maralyce. »Die Frage ist, wer es ausgelöst hat und wer die nächsten fünf Jahre damit zubringen wird, sich auszugraben.«
»Ihr müsst Ihnen nachgehen!«
»Ist nicht meine Aufgabe«, sagte Maralyce achselzuckend.
»Nein«, stimmte Arkady zu. Was für ein Schlamassel sie mit ihrem gedankenlosen Impuls, Cayal zu befreien, ausgelöst hatte! »Aber meine.«
Der
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