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Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Titel: Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Fallon
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Augen hatten sich ganz an die Dunkelheit des Fleischlagers gewöhnt, und die Sonne auf dem Schnee blendete mich. Alle waren im Hof des Gehöfts versammelt. Thraxis war da, immer noch außer sich vor Wut. Etliche meiner Brüder standen neben ihm; die beiden, mit denen ich in Dun Cinczi angekommen war, und noch einige andere, die wohl Planice aus Lakesh herbegleitet hatten. Sie sahen aus, als wären sie bereit, sich wenn nötig sofort auf Thraxis zu stürzen und ihn festzuhalten, doch für mich fand ich in ihren Mienen kein Mitgefühl.
    Und Gabriella war da, ihr Gesicht blass. Ich trat auf sie zu.
    Sie spuckte vor mir aus.
    »Gabriella?«
    Ihre dunklen, anbetungswürdigen Augen blitzten wütend. »Komm bloß nicht näher, du treuloser Hundesohn!«
    »Was?«
    »War es dein Kind?«
    Ich sah sie verwirrt an. »Kind? Was für ein Kind?«
    »Sie meint die Schwangere, die du nicht zu kennen behauptest und zu deren Schutz du deinen besten Freund getötet hast«, sagte Planice hinter mir.
    Ich sah über die Schulter meine Schwester an, und langsam ging mir auf, dass irgendwann seit der Ankunft des jungen Paares in Thraxis’ Halle vor einigen Nächten das ungeborene Kind der jungen Frau zu meinem Kind geworden war.
    »Nein!«, protestierte ich. »So war es doch gar nicht …«
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass du die Frechheit hattest, dir deine Hure zu unserer Hochzeit nach Lakesh nachkommen zu lassen«, fauchte Gabriella. In ihren Augen war nichts als Hass, in ihren Worten nichts als Verachtung.
    »Ich schwöre beim Gezeitenstern, Gabriella, dass ich sie noch nie in meinem Leben gesehen habe …«
    »Also hast du wegen einer Wildfremden den Erben von Dun Cinczi getötet?«
    Heute erkenne ich natürlich, wie seltsam das geklungen haben muss, aber was konnte ich schon tun, es war einfach die Wahrheit.
    Gabriellas Hohn fraß sich in meine Seele wie Säure. »Wie edelmütig von dir, Prinz Cayal. Tust du so etwas öfter? Hattest du vor, mir erst nach der Hochzeit von deinem kleinen Hobby zu erzählen, bedrängte Jungfern zu retten?«
    »Gabriella …«
    »Sie will dich nicht mehr, Cayal«, stellte Planice klar, die aus meinem Schmerz sichtlich Vergnügen zog. Was mich nicht überraschte. Sie hatte mir als kleinem Jungen zu oft absichtlich wehgetan, als dass ich diesbezüglich Illusionen hätte haben können.
    »Halt die Klappe, Planice.« Nun hatte ich keinen Grund mehr, den Frieden mit meiner Schwester zu wahren. Nichts interessierte mich in diesem Augenblick weniger, als was sie dachte.
    Ich wandte mich wieder Gabriella zu und sah sie an, unfähig zu begreifen, wie sie mich so einfach fallen lassen konnte. Ich war jung und naiv, damals dachte ich noch, dass wahre Liebe jedes Hindernis überwand. Selbst nachdem Gabriella aus all unseren heimlichen, geflüsterten Treueschwüren eine Farce gemacht hatte, suchte ein Teil von mir immer noch nach einem Zeichen, einem geheimen Hinweis darauf, dass sie das Ganze nur spielte, um unser zahlreiches Publikum zufriedenzustellen.
    Wenn sie mir so ein Zeichen gab, dann war es zu subtil, als dass ich es bemerkt hätte.
    »Geh, Cayal«, befahl Planke hinter mir. »Bevor ich meine Meinung ändere.«
    Als wolle sie den Befehl der Königin unterstreichen, drehte mir Gabriella den Rücken zu und ging die kurze Strecke zu Orins Mutter hinüber, die linker Hand etwas abseits mit den anderen Frauen des Gehöfts stand, die Augen rot verweint. Ein Meer von Gesichtern umgab mich, alle klagten mich an, aber das eine Gesicht, das ich noch heute, nach all dieser Zeit klar vor mir sehe, ist das von Gabriella.
    Es gab keine Worte, um meinen Schmerz zu benennen, kein Maß, um ihn zu messen, kein Gefäß, das groß genug war, um ihn zu fassen.
    Einer meiner Brüder zog sein Schwert und zwang mich zu gehen. Blind und stumpf stolperte ich auf das Tor zu. Die Menge teilte sich vor mir und gab einen Streifen zertrampelten Matsch frei, der auf die schneebedeckte Landschaft hinter dem Gehöft hinausführte. Ich ging los, ohne zu denken. Mein Schmerz war eine offene, klaffende Wunde, eigentlich hätte ich im Schnee eine Blutspur hinterlassen müssen, so real fühlte sie sich an. Als ich das offene Tor erreichte, begann eine Frau zu wehklagen, ihr Schrei wurde bald aufgenommen von den anderen Frauen von Dun Cinczi.
    Unter dem Heulen erbarmungslosen Kummers, meines eigenen als auch dem der Frauen des Gehöfts, trat ich auf die zerfurchte Straße hinaus. Dort drehte ich mich um, um mir mein anklagendes Publikum

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