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Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Titel: Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Fallon
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Äonen von Jahren war aus dem Meeresgrund eine Kette von Vulkanen emporgewachsen, bis sie einen kleinen Inselkontinent bildeten, dessen fette Böden fruchtbar genug waren, um große Bäume darauf wachsen zu lassen. Von tückischen Korallenriffen umgeben, zog sich ein Streifen von blendend weißem Korallensand um den ganzen Inselkontinent. Es gab Meilen und Meilen von unberührten Stränden, beschattet von hohen Palmen und bevölkert von lachenden, nackten, braunhäutigen Kindern, die den großen, blasshäutigen Fremden, der auf ihrem Strand schlief, für eine ziemliche Attraktion hielten.
    Die Kinder knufften zum Spaß meine helle, sonnenverbrannte Haut und sagten mir, dass ich die Hitze niemals überleben würde. Auch brachten sie mir genug von ihrer Sprache bei, um zu verstehen, dass es praktisch unmöglich war, die Hohepriesterin auch nur aus der Ferne zu Gesicht zu bekommen.
    Ich schlug ihre Warnungen über die Hohepriesterin in den Wind, aber was die Hitze anging, hatten sie recht. Bald schon entledigte ich mich meiner kordanischen Lederkleidung zugunsten des vernünftigen magretinischen Brauchs, nur ein Wickeltuch zu tragen. Der einzige Unterschied zwischen der Männer- und Frauentracht in Magreth schien darin zu bestehen, wo man das Tuch am Körper trug. Die Frauen trugen ihres über der Brust verknotet, die Männer um die Hüften. Sie waren hell und bunt, aber was am wichtigsten war, sie fühlten sich auf der Haut kühl an. Zuerst kam ich mir mit nichts als einem Stück Stoff um die Hüften befangen und lächerlich vor, und mein Lendentuch hatte ich außerdem auch noch gestohlen. Aber schließlich gewann angesichts der Gefahr eines Hitzschlages doch der gesunde Menschenverstand die Oberhand über Eitelkeit und Schamgefühl. Ich kam zu dem Schluss, dass die Hitze mich mehr kümmerte als die Frage, ob jemandem mein von Peitschenhieben verunstalteter Rücken oder meine jämmerlich hervorstehenden Rippen auffielen.
    Der Tempel der Gezeiten, ein wunderbares Bauwerk aus Marmor und Gold, lag am Fuße der Hanaleiberge, etwa zweihundert Meilen von Ta’al entfernt. Verglichen mit der Entfernung, die ich bereits zurückgelegt hatte, war das nur ein Katzensprung. Als ich mich auf den Weg machte, war ich fast so braun gebrannt wie die Strandkinder und völlig ausgezehrt, aber immerhin waren die Wunden meiner Galeerenzeit verheilt bis auf die Narben auf dem Rücken und die Schwielen an den Händen.
    Und ich war ein Getriebener. Getrieben von dem Gedanken, dass jeder Tag, den ich im Exil verbrachte, die Hochzeit Gabriellas mit meinem Bruder, der sie gar nicht verdient hatte, näher rücken ließ; wieder ein Tag mehr bis zum Ende meiner Hoffnungen. Ich hatte keine Ahnung, ob die Hohepriesterin sich derzeit überhaupt in ihrem Tempel aufhielt, und sicherlich bestand nur eine geringe Hoffnung, dass sie mich empfangen würde – aber so groß ist eben die Macht der Selbsttäuschung, dass ich immer noch zu träumen wagte.
    Nach zehn Tagen auf der Straße, schon in Sichtweite des Tempels der Ewigen Flamme, wurde ich von Banditen überfallen.
    Warum sie das taten, habe ich nie verstanden. Vielleicht, weil ich ein Fremder war. Ich hatte nichts von Wert bei mir. Alles, was ich je besessen hatte, war schon lange verkauft oder gegen Lebensmittel eingetauscht.
    Aber sie griffen mich trotzdem an. Und als die Banditen merkten, dass es bei mir nichts zu holen gab, schlugen sie mich gleich noch etwas mehr zusammen, als ob ihr vergeblicher Überfall auf einen erschöpften Reisenden dadurch einen Sinn bekäme. Ich versuchte mich zu wehren, aber da war ich schon zu schwach, aller Kampfgeist hatte mich verlassen. Nach Monaten in der Einsamkeit der Verbannung und kurz vor dem Hungertod war ich nur noch ein Schatten meines früheren Selbst. Als ich so auf der Erde lag und die Hiebe und Tritte auf mich einprasselten, war ich sicher, dass ich sterben würde. Und zum ersten Mal in meinem kurzen Leben schien mir diese Aussicht gar nicht so schlimm. Wenn man so gnadenlos geschlagen und getreten wird, lässt nach einer Weile sogar der Schmerz nach. Ich spürte kaum noch, wie ein Stiefel mir eine Niere zerquetschte, oder den Tritt, von dem meine Milz riss.
    Doch ich sah den Fuß kommen, der alles beenden sollte. Ein Stiefeltritt ins Gesicht ist etwas Denkwürdiges, selbst noch für einen, der gerade totgeschlagen wird.
    Danach fühlte ich gar nichts mehr. Ich war überzeugt, dass ich tot war, ein schräges Gefühl, das umso seltsamer wurde, als sanfte

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