Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
hanebüchene Annahmen mit derart lächerlicher Logik zu rechtfertigen, erstaunte sie immer wieder. »Das ist doch mal eine bahnbrechende Schlussfolgerung. Und wie du das aus dem Ärmel schüttelst. Ich bin beeindruckt.«
Declan zuckte die Achseln. »Ich meine, er ist echt. Er muss nicht versuchen, den Kämmerer zu mimen, während er in Wirklichkeit ein Spion ist.«
»Nein, er muss den Spion mimen, während er in Wirklichkeit ein Kämmerer ist, und das ist so viel sicherer.«
Declan setzte ein verschlagenes Lächeln auf. »Glaubst du, du bist ein besserer Erster Spion als ich, Ringel? Bitte, wir tauschen.«
»Nein, danke.« Tiji reagierte nicht darauf, dass er sie bei ihrem Sklavennamen genannt hatte. Dieser Mann hatte sie vor lebenslanger Qual und Demütigung gerettet, und selbst wenn er sie neckte, fühlte sie sich niemals erniedrigt. Tatsächlich war Declan Hawkes wohl das einzige Lebewesen auf Amyrantha, das sie Ringel nennen durfte und damit ungestraft durchkam. »Der Erste Spion des Königs muss für den aufgeblasenen Blödmann König Enteny arbeiten, die Bezahlung stinkt und die Arbeitszeiten sind eine Zumutung ...«
»Aber du kannst hier und da unschuldige Leute in den Tod schicken«, erweiterte Declan die Betrachtung. »Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, Staatsfeinde zu foltern, wann immer es dir beliebt, und gelegentlichen Einladungen zum Ball im königlichen Palast.«
»Also ... wenn es Bälle im Palast gratis gibt«, Tiji rieb sich das Kinn, als müsse sie über diese Gelegenheit nachdenken. »Das ändert die Lage natürlich. Jetzt muss ich mir noch mal ernsthaft überlegen, ob ich dich nicht doch ersetzen sollte.«
Declans heitere Stimmung schwand, als er zur nächsten Frage überging. »Gut, während du das erwägst, könntest du mir erzählen, was in Cycrane passiert ist.«
Sie lächelte. »Nun, die gute Nachricht ist, dass ich einem Gezeitenfürsten begegnet und wieder entwischt bin, ohne seinen Befehlen Folge zu leisten. Ich weiß jetzt ganz sicher, dass ich eine Ark bin.«
»Und die schlechte Nachricht?«
»Die Kaiserin über die fünf Reiche ist wieder da, Declan«, sagte sie, und bei dieser Bekanntgabe verflüchtigte sich die letzte Spur von Frohsinn. »Und du kannst getrost wetten, dass sie vorhat, auch den Rest ihrer gezeitenverfluchten Sippschaft dort zu versammeln.«
13
Nach einigen Wochen stimmte der Kaiser von Torlenien endlich zu, den Gesandten von Glaeba zu empfangen. Arkady war es - selbstredend - nicht erlaubt, dem Treffen beizuwohnen. So musste sie sich damit begnügen, so lange im Serail auf und ab zu tigern, bis Stellan endlich vom kaiserlichen Palast zurückkam und ihr erzählte, wie es ihm ergangen war.
Die Bedeutung dieses Treffens durfte man nicht unterschätzen. Wenn es gut verlief, hatte Stellan Hoffnung, die Frage lösen zu können, wem die Chelae-Inseln gehörten. Das wiederum bedeutete, dass sie womöglich wieder nach Hause konnten, bevor sie an Altersschwäche starben. Wenn es andererseits schlecht lief, konnte das ihre Sache um Jahre zurückwerfen. Der Kaiser galt als in jeder Hinsicht launischer und schwieriger junger Mann. Chintara hingegen erwähnte ihren Ehemann nur selten, aber wenn sie von ihrem Herrn und Meister sprach, dann sang sie voll glühendem Pathos das Loblied seiner Stärke und Ehre.
Beim Klang der äußeren Tür des Serails war Arkady sofort zur Stelle, um Stellan in Empfang zu nehmen. Er trug noch sein prachtvolles Hofgewand und kam offensichtlich direkt von seinem Treffen mit dem Kaiser zu ihr.
»Wie ist es gelaufen?«, überfiel sie ihn ohne weitere Begrüßung.
»Ganz gut, nehme ich an.« Stellan ließ den zeremoniellen glaebischen Samtmantel mit den feinen Stickereien auf Manschetten und Revers von den Schultern gleiten und warf ihn erleichtert von sich. Er sah aus, als ob er im nächsten Moment dahinwelken würde. Es musste eine enorme Tortur gewesen sein, die ganze Audienz lang in diesem schweren Ornat würdevoll beim Kaiser zu sitzen.
»Hast du es geschafft, die Chelae-Inseln zu erwähnen?«
Stellan schüttelte den Kopf und setzte sich auf eine Liege, während er den hohen Kragen seines Hemdes lockerte. »Gezeiten, nein! Das wäre ja viel zu einfach. Wir sprachen über das Wetter. Und Pferderennen. Jede Menge Pferderennen. Hast du mitbekommen, dass diese Leute hier von Pferderennen förmlich besessen sind?«
Arkady zwang sich zu einem Lächeln und nahm ihrem Mann gegenüber Platz. Sie füllte ihm ein Glas mit Wein aus
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