Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
für ihr Dilemma. »Ich verstehe, Arkady. Wirklich, das tue ich. Vermisst du ihn sehr?«
Sie zuckte die Achseln. »Mehr als ich sollte, aber weniger als ich dachte.«
»Vielleicht liebst du diesen Mann ja gar nicht so sehr, wie du annahmst«, gab er vorsichtig zu bedenken.
»Ich bin nicht mal sicher, ob ich Cayal überhaupt geliebt habe, Stellan.«
»Du sprichst immer noch von ihm, als wäre er ein Unsterblicher«, bemerkte er, als wäre das eher eine Kuriosität als eine Tatsache.
Arkady hatte es längst aufgegeben, ihren Ehemann überzeugen zu wollen. Die Wahrheit würde bald genug ans Licht kommen, das hatte ihr Declan unmissverständlich klargemacht. Bis dahin war es leichter, sich nicht in Diskussionen zu verstricken.
»Vielleicht macht es das leichter für mich.«
Mit einem schwachen Lächeln nickte Stellan. »Schon komisch, Arkady, aber das kann ich tatsächlich nachvollziehen.«
Ein paar Minuten vor der vereinbarten Zeit ließ sich Arkady in die Gemächer der kaiserlichen Gemahlin fuhren. Wie üblich von Nitta, die sich dieser Tage ausgesucht freundlich gab, wahrscheinlich als Folge einer ausdrücklichen Anweisung, die Gattin des glaebischen Gesandten nicht weiter zu provozieren, als sie es schon getan hatte. Doch als sie jetzt den Eingang zur Haupthalle erreichten, hob Nitta plötzlich einen Arm und versperrte Arkady den Weg.
Als sie stehen blieb, drangen leise Stimmen an ihr Ohr. Gegenüber bei den Liegen kniete ein Mönch in safrangelber Robe zu Chintaras Füßen.
»... und sage meinem Herrn, dass ich sehnlichst seine Ankunft erwarte«, instruierte Chintara den Mönch, der offensichtlich Angst hatte, ihr in die Augen zu sehen.
Arkady unterdrückte ein Lächeln. Armer Mann. Wahrscheinlich musste er einen Monat lang Buße tun, nachdem er einer unverschleierten Frau ausgesetzt war, ganz zu schweigen von einer so verführerischen Frau wie der kaiserlichen Gemahlin.
Der Mönch senkte den Kopf, sprach aber klar und deutlich, als ob er etwas mechanisch rezitierte, das er zuvor auswendig gelernt hatte. »Mein Herr trug mir auch auf, Euch auszurichten, dass er ebenfalls ungeduldig die Rückkehr seiner Königin an seine Seite, seiner Gefährtin an seinen Tisch und seiner Geliebten in sein Bett erwartet.«
Chintara ließ die Augen rollen. »Er ist nicht der Einzige, der ungeduldig darauf wartet, das kannst du ihm versichern.« Sie spähte durch den Raum und entdeckte Arkady. Eine Grimasse flackerte über ihr hübsches Gesicht - fast zu schnell, um sie zu bemerken -, dann lächelte sie ihre Besucherin an. »Ah, Arkady! Ihr seid früh dran. Kommt! Bruder Ostin ist gerade im Begriff, uns zu verlassen.«
Nitta senkte ihren Arm und ließ Arkady in die Halle treten. Sie überquerte die Fliesen bis zu der Stelle, wo der Mönch nun aufrecht auf seinen Füßen stand, jedoch nach wie vor seinen Blick abgewandt hielt.
»Arkady, Fürstin von Lebec und Gemahlin unseres Gesandten von Glaeba. Dies ist Bruder Ostin«, sagte Chintara, als Arkady vor ihnen stand. »Er ist ein Anhänger des Weges der Gezeiten.«
»Natürlich«, bestätigte Arkady. »Ich erkenne seine gelbe Robe. Ich habe nicht erwartet, einen Mann im kaiserlichen Serail zu treffen, Bruder Ostin. Seid Ihr nicht wie alle anderen Männer an die Regeln in Bezug auf unverschleierte Frauen gebunden?«
Er schüttelte den Kopf und überraschte Arkady mit einer Antwort auf Glaebisch. »Mir wurde eine Freistellung gewährt, Euer Gnaden.«
»Wirklich? Eine Freistellung? Von wem?«
»Vom Oberhaupt seines Ordens«, erklärte Chintara, ehe der Mönch etwas sagen konnte. »Du kannst nun gehen, Bruder Ostin.«
Der Mönch begriff den Wink, verbeugte sich hastig jeweils einmal vor Chintara und Arkady und eilte aus der Halle, gefolgt von Nitta.
Arkady sah ihm nach und wandte sich dann an Chintara. »Benutzt Ihr oft einen Dritten, um Euch mit Eurem Gatten zu verständigen?«
»Wie bitte?«, fragte die Gemahlin mit verständnislosem Blick.
»Verzeiht mir bitte, aber ich konnte nicht umhin, die lyrische Botschaft von Eurem Herrn, der ungeduldig wartet, mit anzuhören - wie sagte er gleich? Die Rückkehr seiner Königin an seine Seite, seiner Gefährtin an seinen Tisch und seiner Geliebten in sein Bett? Ich wünschte, mein Gemahl wäre so ein Poet.«
Chintara betrachtete sie einen Augenblick mit einem sonderbaren Ausdruck und lächelte dann. »Ich bin gesegnet«, bestätigte sie, wobei es ihr nicht ganz gelang, die Ironie in ihrem Ton zu kaschieren. »Ja, das bin ich
Weitere Kostenlose Bücher