Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Männer mit Macht. Und, wie Tiji beobachtet hatte, eine ausgeprägte Faszination für Gefährliches und Geheimnisvolles.
Declan Hawkes roch unmissverständlich nach beidem.
Tiji war ihm das erste Mal in Senestra begegnet, als sie noch fast ein Kind war, Schaustück in einem Wanderzirkus, wo ihre monströs anmutende Gabe fünf Kupferstücke pro Blick wert war. Natürlich war Declan damals noch nicht der Erste Spion des Königs, aber mit der Hilfe von Markun Far Jisa hatte er ihren Besitzer entweder durch Schmeichelei oder Einschüchterung (Tiji war sich da nie sicher) dazu gebracht, sie ihm zu verkaufen. Obwohl sie auf dem Papier weiterhin eine Sklavin war, fühlte sie sich nie mehr als solche, seit der glaebische Mensch sie erstanden hatte. Nach der Zeit im Zirkus, wo sie gehungert hatte, wo sie geschlagen, verachtet und schlechter als ein Tier gehalten wurde, nahm ihr Schicksal damit eine Wendung, die ihr bis heute manchmal ein wenig unwirklich erschien.
Es war mehr als sechs Jahre her, dass Declan - wohl wissend, dass eine Chamälide mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine Ark war - sie gleich für beide seiner Auftraggeber rekrutiert hatte: für den königlichen Geheimdienst und, im Geheimen, für die Bruderschaft des Tarot. An dem Tag, an dem Tiji Declan Hawkes begegnet war, hatte sie sich von einem Zirkusmonster in eine ehrbare Kriegerin verwandelt, in einem Krieg, der Amyrantha vor den Gezeitenfürsten retten sollte.
Es gab jetzt ein Ziel in ihrem Dasein. Einen Grund zu leben.
Allein schon deshalb hätte Tiji sich jederzeit für ihn ein Schwert in den Bauch rammen lassen.
Als er später am Abend ankam, lächelte er, als er sie erblickte, offensichtlich erleichtert, sie unverletzt zu sehen. Aber zu ihrer Überraschung schien er nicht sonderlich darauf erpicht, sie alsbald zu befragen. Er erweckte vielmehr den Eindruck, dass er sich mehr für Warlocks Ankunft interessierte als für ihre, was ihr ein wenig befremdlich vorkam. Zugegeben, er war hier, um in den Palast eingeschleust zu werden, aber Tiji fand, dass ihre Neuigkeiten die Beschäftigungsaussichten eines großen, sprachgestörten Caniden an Bedeutung weit in den Schatten stellten. Sie machte es sich auf dem gescheuerten Holztisch bequem, indem sie sich in ihrer Lieblingsposition auf ihre verschränkten Beine setzte, und lauschte neugierig. Dass Declan mit Warlock sprechen wollte, noch ehe er Tiji nach den neuesten Nachrichten aus Caelum ausquetschte, verhieß zumindest, dass dieses Gespräch außerordentlich interessant werden konnte.
»Ich bin sehr froh, dass du da bist, War lock«, sagte Declan nach der Begrüßung. Sie hatten sich in Lady Pontings Küche niedergelassen, beleuchtet von ein paar Kerzen an den Wänden und dem roten Schein des Herdfeuers. »Ich habe eine Aufgabe für dich.«
»So sagte es mir Lord Ponting«, bestätigte der große Canide, obwohl er in Tijis Ohren leicht verunsichert klang.
»Kannst du dir vorstellen, wieder ein Sklave zu sein?«
Warlock zuckte die Achseln. »Ich bin nicht sicher, wie sehr ich schon daran gewöhnt bin, frei zu leben, Meister Hawkes. Aber vorausgesetzt, ich bin zur Geburt meiner Kinder wieder im Verborgenen Tal, würde ich damit schon klarkommen, denke ich.«
Declan nickte. »Ich will sehen, was ich da arrangieren kann. In der Zwischenzeit möchte ich dich als verspätetes Hochzeitsgeschenk von Lady Tilly Ponting der Prinzessin Kylia zukommen lassen.«
»Für diese Rolle bin ich ausgebildet.«
Der Erste Spion schüttelte den Kopf. »Niemand ist dafür ausgebildet, Warlock. Wir sind ziemlich sicher, dass Kylia in Wahrheit die Unsterbliche Diala ist.«
Tiji starrte Declan entsetzt an. »Du machst Witze!«
Declan sah sie kurz an. »Sie tauchte vor ein paar Monaten in Lebec auf und spielte die heimgekehrte Nichte des Fürsten von Lebec. Wenige Wochen später kam der Kronprinz zu Besuch, und der Rest ist - wie es so schön heißt - Geschichte. Der arme kleine Mathu hatte überhaupt keine Chance.«
»Gezeiten, Declan! Wer weiß noch davon?«
»Bisher nur die Bruderschaft«, antwortete Declan. »Aber da die Flut steigt, glaube ich nicht, dass wir sehr viel Zeit haben, bevor Diala oder Jaxyn den nächsten Zug macht und die ganze Welt erfahrt, dass die Gezeitenfürsten kein Mythos sind.«
»Ich habe Syrolee in Caelum gesehen«, erinnerte sie ihn. Aleki hatte die Botschaft, mit welcher Nachricht sie kam, schon vorausgeschickt. Keine Einzelheiten, aber genug, um sicherzustellen, dass Declan in Herino
Weitere Kostenlose Bücher