Falltür - bitte klopfen
werden!«
»Bitte, mein ältester und
teuerster Freund«, jammerte er. »Ich verstehe ja, daß du böse auf mich warst
und mir deshalb nichts gesagt hast. Aber was soll ich denn nun damit anfangen?
Wissen die andern denn auch schon davon? Soll ich’s da liegenlassen — oder
was?«
»Es ist ein Gewehr«, schnauzte
ich. »Mit dem Ende, an dem es ein Loch hat, zeigst du auf das, was dir nicht
gefällt — und dann ziehst du an dem kleinen Hahn am anderen Ende. Das ist doch
ganz einfach!«
»Das mit dem Gewehr begreife
ich ja auch«, meinte er mit brüchiger Stimme. »Davon rede ich ja gar nicht.«
»Wovon, zum Teufel, redest du
sonst?«
»Von der Leiche vorn in der
Eingangshalle«, wehklagte er. »Das Gesicht ist... unbeschreiblich!«
»Du mußt übergeschnappt sein,
wenn du dir schon so etwas einbildest«, erklärte ich ihm. »Die Leiche von Lucas
befindet sich immer noch in seinem Zimmer. Clurman hat es doch abgeschlossen,
weißt du denn das nicht mehr?«
»Bitte, halt mich nicht zum
Narren, Towarisch. Meine Nerven...« Die dunklen Augen verdrehten sich. »Ich
spreche ja nicht von Lucas’ Leiche, ich rede von der Leiche vorn in der Halle
gleich an der Haustür.«
»An der Haustür...« Ich öffnete
meine Tür ein Stückchen weiter und starrte ihn verständnislos an. »Aber da
liegt doch gar keine Leiche!«
Boris zitterte heftig. »Du
beliebst zu scherzen! Ich hätte nie gedacht, daß es überhaupt eine so dicke
Leiche geben könne! Wenn du mir nicht glaubst, dann komm doch mit und sieh
selber nach.«
Ich blickte über die Schulter
zurück und sah, daß Wanda besänftigend gestikulierte. Sie hatte ja recht,
erkannte ich böse, die einzige Art, diesen russischen Quadratsdeppen
loszuwerden, war die, ihm scheinbar beizupflichten. Ich trat auf den Flur und
schloß sorgsam die Tür.
»Wenn du mich auf so dumme
Weise zum besten halten willst«, erklärte ich giftig, »dann wird dir das noch
sehr leid tun.«
»Ich schwöre, es ist wahr«,
stöhnte er. »Erst dachte ich, du wolltest mich irgendwie auf den Arm nehmen,
und es sei bloß ein Haufen alter Sachen. Aber als ich näher hinschaute...« Er
schloß einen Moment die Augen. »Die schlimmsten Tage der Revolution waren
dagegen ein reines Kinderspiel.«
»Ich möchte wetten, daß du
inzwischen deiner zweiten Flasche Wodka auf den Grund gegangen bist«, knurrte
ich.
»Nicht einen Tropfen, ich
schwöre es.« In seinen Augen dämmerte ein Hoffnungsschimmer. »Aber da hast du
mich auf eine grandiose Idee gebracht, Towarisch.«
Die Treppe knarrte wie gehabt,
als wir hinuntergingen, aber das regte mich nun schon nicht mehr auf. Ich
wollte weiter nichts als möglichst rasch Boris’ Hirngespinst zerstören und dann
zurück in Wandas Arme eilen, ehe sie es sich anders überlegte und verschwand.
In der Halle brannte trübes Licht, trotzdem erkannte ich neben der Tür das
dunkle Bündel, das wie ein Haufen alter Kleider aussah.
»Siehst du’s?« wisperte Boris.
»Jemand hat sich einen dummen
Scherz erlaubt«, schnauzte ich. »Und hat einen Haufen alter Klamotten...« Doch
dann gab mein Magen mit kräftiger Erhebung Boris recht.
Das Bündel Kleidung war eine
Art schwarze Tunika und Pumphosen, und beides umhüllte noch immer den Riesen
aus dem Weltall — oder wo immer er hergekommen war. Er lag auf der Seite, das
Gesicht nach oben, und seine Augen, die nichts mehr sahen, starrten mich voller
Grauen an. Sein Gesicht war zu einer schmerzerfüllten Todesmaske verzerrt, die
Lippen entblößten ein raubtierhaftes Gebiß. Ein Messergriff ragte ihm zwischen
den Schulterblättern heraus, und eine breite Blutspur zog sich zur halboffenen
Haustür.
Vielleicht hatten Martha und
ich da einen schwerwiegenden Fehler begangen, erkannte ich grimmig. Statt zu
suchen, wo Emile Eugene Westcotts Leiche versteckt hatte, hätten wir uns lieber
gleich auf die Suche nach Emiles Leiche machen sollen.
7
Es war, als würde die Szene
wiederholt, in der wir uns nach dem ersten Mord alle im Wohnzimmer versammelt
hatten. Lediglich Carole Freeman wirkte etwas beherrschter als beim erstenmal,
das heißt, sie sah nicht mitgenommener aus als die beiden anderen Damen auch.
Boris saß ganz unverhohlen bei seiner Wodkaflasche, ein Glas in der Hand, als
wolle er demonstrieren, daß Alkohol seine moralischen Hemmungen auch nicht mehr
lockern konnte als die nervenaufreibenden Erlebnisse auf Château d’If.
Westcott — Eugene oder Carl? —
stand bewegungslos mitten im Zimmer und
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