Falltür - bitte klopfen
beherrschte die Szene. Seine buschigen
Brauen und der graue Schnurrbart schienen ein bißchen länger geworden zu sein,
und die braungefleckten Froschaugen blickten leicht glasig drein. Ich saß neben
Wanda auf der Couch, und aus dieser Perspektive sah er aus wie eine primitive
Skulptur, die der Künstler dadurch ruiniert hatte, daß er dem steinernen
Gesicht menschliche Züge zu verleihen suchte.
Clurman lehnte hinten an der
Wand und beobachtete unbehaglich seinen Boss. Martha hatte sich wieder
isoliert, sie saß allein in einem Sessel, hatte den Kopf etwas zurückgelegt und
die Augen fast geschlossen. Die schier unerträgliche Spannung, unter der sie
stand, zeigte sich an den bebenden Nüstern und den dunklen Schatten unter ihren
Augen. Ganz im Gegensatz zu ihr wirkte Wanda seltsam zufrieden, was
wahrscheinlich zu bedeuten hatte, daß sie nur drauf wartete, ihr Held werde
sich auch beim zweitenmal wie ein rechter Ritter benehmen. Aber ich wartete nur
auf den passenden Augenblick, um sie da taktvoll zu enttäuschen.
»Ich weiß, daß es eine dumme
Frage ist«, ließ Clurman sich vernehmen, »aber was tun wir jetzt?«
Westcott wandte den Blick ein
bißchen, und Alec zuckte unter der eiskalten Feindseligkeit der braungefleckten
Augen sichtlich zusammen.
»Was wir jetzt auch tun, es
wird nichts an der Tatsache ändern, daß Emile tot ist«, sagte Westcott mit
leiser, aber tödlich kalter Stimme. »Er hat mir fünfzehn Jahre gedient, absolut
vertrauenswürdig, treu und ergeben. Ich glaube, er war der einzige wahre
Freund, den ich je besessen habe oder besitzen werde, in meinem ganzen Leben.«
»Na ja«, murmelte Alec, »ich
bin überzeugt, daß alle hier ihre Gefühle gut verstehen, Mr. Westcott, und es
tut uns auch verdammt leid, daß es passiert ist. Aber nun haben sich in einer
Nacht schon zwei Morde ereignet. Wenn wir nicht schleunigst etwas unternehmen —
wer weiß, wie viele von uns es noch erwischt?«
»Ich fürchte, Sie werden meine
Ansicht zu dieser Sache nicht unbedingt gutheißen, Alec.« Die dicke Nase bebte.
»Es ist mir völlig gleichgültig, ob der Rest von euch en gros oder en detail
umgebracht wird. Ich werde Emiles Tod rächen, und wenn es das Letzte ist, was
ich tue!«
Boris füllte sorgsam sein Glas
wieder auf, dann lächelte er mich traurig an. »Das alles kommt davon, wenn man mit
einem Aluminiumherzen geboren wird, Towarisch.«
»Halten Sie den Mund!« zürnte
Westcott. »Ich habe noch nicht vergessen, daß es Ihrer und Bakers Schluderei
zuzuschreiben ist, daß Emile allein in der Halle gestorben ist. Wenn einer von
Ihnen auch nur halbwegs seiner Aufgabe gewachsen gewesen wäre, dann hätten Sie
entweder den Mörder erwischt, oder zumindest hätte Emile Ihnen noch seinen
Namen sagen können, ehe er starb.«
»Und wenn Sie auch nur ein
Sechzehntel normaler Fähigkeiten besäßen, dann hätten Sie es nicht ermöglicht,
daß sich ein geistesgestörter Mörder auf Ihrer verdammten Insel herumtreibt«,
erwiderte Boris gelassen. »Ich halte den Augenblick für gekommen, Ihnen
klarzumachen, daß das Westcott-Imperium nur drüben auf dem Festland existiert.
Hier geht es für uns alle nur ums nackte Überleben, und ein Aluminiumkönig hat
da nicht mehr zu sagen als ein Produzent. Also hören Sie gefälligst auf, mich
anzuschnauzen.«
Der Schock, den das in
Westcotts Zügen auslöste, war sehenswert. Sein Mund öffnete und schloß sich ein
paarmal, wodurch er einem Flußlachs ähnlicher sah als der Flußlachs selbst, und
ich wartete — wie übrigens wohl jeder im Raum — auf die unausbleibliche
Explosion. Aber er explodierte nicht.
»Vielen Dank, Mr. Slivka«,
sagte er schließlich ebenso eisig wie ruhig, »daß Sie die Situation so präzise
umrissen haben. Sie haben völlig recht. Es geht für uns nur noch darum, am
Leben zu bleiben. Unter diesen vorzeitlichen Bedingungen heißt das: Jeder ist
sich selbst der Nächste. Keiner hat Vorrechte oder einen Anspruch auf
Bevorzugung.« Er hielt einen Moment inne. »Sie pflichten mir also bei, daß
unter den gegebenen Umständen jedermann das Recht auf Egoismus zusteht?«
Boris nickte.
»Selbstverständlich.«
»Es freut mich, daß Sie meine
Ansicht teilen.« Westcott lächelte grimmig, marschierte quer durchs Zimmer zum
Gewehr, das an der Wand lehnte, und nahm es in die Hand. »Mein Gewehr«,
sagte er sanft. »Natürlich werde ich es nun, nachdem Mr. Slivka mich mit seiner
unwiderstehlichen Logik von der Richtigkeit dieses Tuns überzeugt hat,
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