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Falltür - bitte klopfen

Falltür - bitte klopfen

Titel: Falltür - bitte klopfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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schon so lange her,
manchmal kann ich mich selbst nicht mehr erinnern.« Er sagte das fast
versonnen. »Es gab da ein Mädchen... an sie erinnere ich mich noch sehr gut.
Ein wunderschönes Mädchen mit langen goldenen Haaren und einem so freundlichen
warmherzigen Lächeln. Sie hieß Yvonne. Manchmal war sie mit mir zusammen,
manchmal mit Eugene. Ich glaube, wir wollten sie beide heiraten. Aber sie hätte
mich genommen, davon bin ich überzeugt. Wir feierten ein bißchen, wir drei,
sozusagen als Vorschuß auf die bevorstehende Hochzeit. Ich erinnere mich an den
Sekt — soviel Sekt! — und wie Eugene eine Flasche nach der anderen öffnete...
für uns, denn er trank ja nichts. Aber der Rest ist verschwommen, und danach
kam nur noch ein Alptraum.«
    Zehn Sekunden herrschte Schweigen,
und als er dann fortfuhr, klang seine Stimme sanft und völlig entrückt.
    »Man sagt, ich hätte sie
umgebracht, Mr. Baker. Ich hätte Eugene niedergeschlagen, als er nicht
aufpaßte. Und dann — kennen Sie Browning, Mr. Baker?«
    »Den Dichter?« murmelte ich.
»Ja.«
    »Er war mein Lieblingsdichter«,
sagte er verträumt. »Hinterher, im Sanatorium, hat man mir gesagt, es müsse
eine Art Autosuggestion gewesen sein. Ich habe Yvonne die langen goldenen Haare
um den Hals geschlungen und sie erdrosselt. Das kommt in einem von Brownings
Gedichten vor, müssen Sie wissen. Hinterher hat man mir auch gesagt, ich habe
versucht, mich umzubringen, indem ich mir mit einer zerbrochenen
Champagnerflasche den Hals aufschnitt. Jahre und Jahre habe ich dann mit der
drückenden Last des Irreseins gelebt, Mr. Baker. Aber in all den wirren
Träumen, die mich in diesen Jahren gepeinigt haben — nicht ein einziges Mal
habe ich geträumt daß ich mein goldenes Mädchen umgebracht habe. Finden Sie das
nicht auch seltsam, Mr. Baker?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte
ich. »Aber eins weiß ich ganz gewiß: Wir müssen hier raus — und zwar sofort.«
     
     
     

9
     
    Ich erinnerte mich, daß es
einer halben Drehung am Ring bedurft hatte, um die Falltür öffnen zu können,
und ich drückte mir die Daumen, daß Martha die Tür nach dem Zuschlagen nicht
wieder verriegelt hatte. Ich rannte die Stufen empor und bumste mit dem Schädel
gegen die Falltür; meine Finger fühlten die Umrisse der Tür ab. Ich zog den
Kopf ein, stemmte beide Handflächen gegen den Stein und drückte. Die Falltür
öffnete sich mit jener gutgeölten Leichtigkeit, die verriet, daß mit der
Ankunft des Gefangenen Carl sehr wohl gerechnet worden war. Einen Moment schien
mir das trübe Keller licht blendend hell; nachdem meine Augen sich daran
gewöhnt hatten, kletterte ich hoch und entdeckte, daß der Keller leer war. Nur
ein Fetzen schwarzer Seide am Boden bewies, daß Martha hier geweilt hatte.
    Carl Westcott hatte sich vom
Bett erhoben, als ich mich nun zur geöffneten Falltür umwandte; langsam
zitternd erklomm er die Stufen. Ich reichte ihm eine Hand und half ihm aus
seinem Verlies, dann schlug ich die Falltür wieder zu. Bei Licht besehen
erkannte ich, daß er seinem Bruder im Gesicht zwar stark ähnelte, jedoch gute
dreißig Pfund leichter als Eugene war. Seine Hängeschultern und der stets
gebeugte Kopf machten ihn auch fünf bis zehn Jahre älter.
    Er massierte sich ausführlich
das Gesicht, dann sah er mich an, und in seinen klaren braunen Augen tauchten
Zweifel auf. »Ich bin Ihnen ja sehr dankbar, daß Sie mir behilflich sind, Mr.
Baker — aber ist das nicht gefährlich für Sie? Was wird, wenn Emile zurückkommt
und uns zusammen findet?«
    »Ich fürchte, wir schweben
beide in Gefahr«, meinte ich. »Aber Emile kommt nicht mehr zurück. Er ist tot.«
    »Tot?«
    »Er wurde vor ein paar Stunden
ermordet«, sagte ich. »In diesem Haus haben sich zwei Morde ereignet, seit Sie
versucht haben, Emile zu entkommen. Es ist zu kompliziert, um es Ihnen jetzt
rasch zu erklären, und ich bin nicht mal sicher, ob ich es selbst mit genügend
Muße völlig erklären könnte. Wichtig ist nur eins: Wir müssen versuchen, hier
herauszukommen.«
    Wir kletterten die steile
Treppe empor und fanden die Tür zur Küche halb offen. In der Küche brannte
Licht, aber niemand war drin. Meine Sachen lagen da, wo ich sie fallen gelassen
hatte, als Eugene mich zum Ausziehen zwang. Vom Marthas Kleidung war nichts zu
sehen. Ich zog mich rasch an, dann ging ich voran in die Eingangshalle. Im
Wohnzimmer war es dunkel, und im ganzen Haus brütete eine unheilschwangere
Stille. Wir stiegen in den ersten Stock,

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