Falsche Froesche
er wolle Sie nicht mit Fachgesimpel langweilen, das Thema. Ihre Freundin verstummt für den Rest des Abends. Was soll das. Beleidigte Leberwurst passt nicht zu ihr. Dass sie sich früh verabschiedet, akzeptieren Sie gerne.
Der Ärger verpufft, als Ihr Liebster von Florianópolis zu erzählen beginnt. Sie beide liegen auf der Couch, er hält Sie fest im Arm und schildert Ihnen sein Paradies. Dort, in Florianópolis, auf der Insel Santa Catarina im Süden Brasiliens, wo am Meer sein Häuschen steht, möchte er Sie heiraten. Nach einem alten indianischen Ritual. Keine Kirche, kein Standesamt, keine Trauzeugen. Nur der Indio-Priester, der Sie und ihn unter freiem Himmel auf ewig vereint.
Sie erstarren, sprachlos vor Schock und Glück. Er will Sie, um Gottes willen, nicht überrumpeln. Lassen Sie sich Zeit, befragen Sie Ihr Herz. Sie sollten nur wissen, dass Sie die Frau sind, auf die er ein Leben lang gewartet hat, die er nie wieder gehen lässt. Sie entspannen sich, liebkost von seinen Händen und von seinen Worten. Noch einmal neu beginnen, warum nicht, mit diesem wunderbaren Mann. Gelitten ist genug. Verdammt, Sie verdienen es, wieder zu leben.
HÖLLE
Als er am nächsten Morgen im Internet nach Florianópolis-Bildern und Videoclips schmökert, stößt er zu seinem Entzücken auf den vermeintlich verschollenen Spielfilm, der vor 20 Jahren in der Nähe seines Hauses gedreht wurde. Nach Überweisung von sechs Euro gibt der Anbieter den Streifen frei. Da Ihr Prinz seine Kreditkartennicht dabei hat, tippen Sie gemeinsam Ihre Visa-Daten ein. Neunzig Minuten später könnten Sie vor Begeisterung sofort ins Paradies aufbrechen.
Am Nachmittag, er absolviert geschäftliche Termine, schrillt das Telefon in Ihre Zukunftsträume. Die Freundin, um Worte nie verlegen, klingt ungewohnt befangen. Weshalb Sie unterlassen, Sie wegen Ihres seltsamen Benehmens vom Vorabend zur Rede zu stellen. Nach drei missglückten Ansätzen holt sie tief Luft. So leid es ihr tue, als Ihre beste Freundin sei es ihre Pflicht, Ihnen zu sagen, dass der Name des Herrn Doktor in keinem Ärzteverzeichnis der Welt aufscheine.
Was fällt ihr ein. Wer hat sie gebeten, hinter Ihrem Rücken zu schnüffeln. Warum freut sie sich nicht mit Ihnen, statt, eifersüchtig, nach Haaren in der Suppe zu suchen. Die Freundin bleibt trotz der Attacken ruhig. Der Mann erscheint ihr nicht seriös. Mit oder ohne Doktortitel. Sie wird keinesfalls zusehen, wie Sie ins Unglück rennen. Wenn Sie ihr misstrauten, sollten Sie sich seine Approbationsurkunde zeigen lassen.
Sie werfen den Computer an. Google spuckt weder seinen noch den Namen seiner Firma aus. Ihnen wird kalt. Aber, ruhig Blut, Suchmaschinen wissen nicht alles. Es gibt ein Leben außerhalb des Internets.
Um die Recherche in einen unverfänglichen Kontext zu betten, zeigen Sie ihm nach dem Abendessen Fotos aus Ihrer Jugend. Während er interessiert im Album blättert, fragen Sie nach Bildern seiner Kinder. Auch die brasilianische Approbationsurkunde würden Sie gerne sehen. Und Fotos vom Haus in Florianópolis. Sein Blick verdüstert sich. Vor eineinhalb Jahren, bei einem Brandim Penthouse, ging alles verloren. Fotos, Urkunden, die Puppen seiner Mädchen. Die Flammen haben ihm seine schönsten Erinnerungen geraubt.
Eine traurige Geschichte. Allerdings: erpresserische Ehefrau, irregeleitete Finanzbehörde, ausgebrannte Wohnung − der Mann hat für Ihren Geschmack etwas viel Pech. Um sich und ihn auf positivere Gedanken zu bringen, fordern Sie ihn auf, Ihnen seine Firma im Internet zu zeigen. Er hat keine Homepage, ganz bewusst, setzt altmodisch auf Mundpropaganda.
Sie ziehen sich ins Badezimmer zurück, überdenken die Worte Ihrer Freundin und putzen sich gerade die Zähne, als er, sichtlich betrübt, hinter Ihnen im Spiegel auftaucht. Soeben erhielt er einen Anruf von der »Ärzte ohne Grenzen«-Zentrale. Morgen früh bricht er zu einem zweimonatigen Einsatz in Simbabwe auf.
Fünf Wochen nach seiner Abreise, seit der er sich, wie angekündigt, wegen der von Rebellen großteils zerstörten Telekommunikationszentralen nicht melden konnte, stehen Sie an der Kasse eines Elektromarktes. Die neue Stereoanlage war überfällig. Statt Geräte, Boxen und Abrechnungsbeleg zu überreichen, teilt die Kassiererin mit, Ihre Visa-Karte sei eingezogen worden. Ausgeschlossen, ein Irrtum, sie soll es noch einmal versuchen. Nach drei weiteren fruchtlosen Anläufen verlassen Sie das Geschäft, rufen wutentbrannt Ihre
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