Falsche Froesche
habe zu viel getrunken. Er liebt Sie, braucht Sie, Sie beide sind, mein Herz, vergiss das nicht, füreinander geschaffen. Sie halten stand, doch als er Sie gegen Abend mit wohl formulierten Liebes-SMS bombardiert, setzen Sie sich ins Auto und rasen in seine Arme.
Bei Ihrer achten Rückkehr nach dem achten Anfall gesteht der starke Mann, dass er unter entsetzlichen Verlustängsten leidet. Die Sie ihm nehmen können. Er möchte, dass Sie bei ihm wohnen, dann wären die Probleme aus der Welt geschafft. Sie sind die Frau seines Lebens, sie ergänzen einander, es sei an Ihnen, die Konsequenz zu ziehen. Bitte.
Zunächst ziehen Sie Ihren besten Freund zurate. Ein Flop. Statt Ihnen die Entscheidung zu erleichtern, belästigt er Sie mit der Prognose, dass einer, der mit Flaschen wirft, früher oder später zuschlägt. Schwachsinn. Sie beenden das Gespräch. Vielleicht, auch wenn Sie bisher immer bockten, sollten Sie sich auf das Abenteuer Zusammenleben einlassen. Wann, wenn nicht jetzt. Sich mit aller Konsequenz zum tollsten Mann, der Ihnen je begegnet ist, bekennen. Seine einzige Schwäche, hier und da ein kleiner Tobsuchtsanfall, kriegen Sie in den Griff.
Allmählich entgleitet Ihnen die Kontrolle über Ihren Alltag. Sie leben in einer Zeitzange. Morgens lässt er Sieungern ziehen. Nachmittags, bevor Sie einen Bruchteil Ihres Programms erledigt haben, möchte er Sie zu sich holen. So subtil der Druck ist, den er im Namen von Liebe und Sehnsucht ausübt, so nachhaltig nimmt er den Atem. Wie ein Krake schlingt er seine Tentakel um Sie, von Tag zu Tag ein wenig enger.
Sie vernachlässigen Ihre Wohnung. Die kurzen Aufenthalte reichen kaum für das Allernötigste. In rasendem Tempo öffnen Sie die Post, waschen Kleidung, ziehen sich um. Schon steht er vor der Türe. Von lesen, fernsehen oder davon, Gott behüte, einen Knopf anzunähen, ist keine Rede. Familie, Freunde und Kollegen vertrösten Sie. Sie haben keine Zeit für lange Telefonate und Stunden im Café. Obwohl Sie so manches Mal lieber zu Hause blieben oder einen Abend mit Freunden verbrächten, geben Sie um des lieben Friedens willen nach.
Statt des Friedens gedeihen die Wutanfälle. Die Phase, da Sie ein Muster suchten, Auslöser erkennen und vermeiden wollten, ist abgeschlossen. Der Mann ist krank im Kopf. Aus heiterem Himmel brüllt er los. An guten Tagen, wohlgemerkt. An schlechteren empfiehlt es sich, das Weite zu suchen, bevor Gläser, Flaschen und ähnlich geeignete Gegenstände an den Wänden zerbersten. Es schreit nach Therapie. Aber sagen Sie das einem Choleriker. Da Sie am Leben hängen, behalten Sie den Tipp für sich.
Ob zu zweit im trauten Heim oder in Gesellschaft, Sie fühlen sich gehemmt. Vermutlich wird er im Restaurant, bei einer Party oder auf belebten Straßen nicht in vollem Umfang ausrasten, doch sind Sie auf der Hut. Die Veränderung missfällt Ihnen. Sie sagen einen Bruchteil dessen, was Sie denken. Sie sprechen leiser, lachen selten, gestikulierensparsam. Dass Sie sich die Beschneidung Ihrer selbst nicht einbilden, sehen Sie durch die ungläubigen Blicke Ihrer Freunde bestätigt. Denen Sie, aus Scham über ihn und über sich, nichts mehr erzählen. Alleine, an ein Wunder glaubend, wandern Sie weiter durch das Minenfeld.
Wo ist Ihr Stolz? Das sind doch nicht Sie, die nach jeder der grauenhaften Szenen zurückkehrt. Sie fliehen in der Gewissheit, diesmal endlich den Schlussstrich zu ziehen. Kaum haben Sie Ihre Wohnung erreicht, springt Sie statt Erleichterung unbändiger Schmerz an. Wund vor Wut und Trauer hoffen Sie, er möge Sie in Frieden lassen, und verzweifeln mit jeder Minute, da Sie nicht von ihm hören. Sobald seine SMS eintrifft, blendet die Sehnsucht alles aus, das Vernunft und Erfahrung Ihnen sagen wollen. Ferngesteuert gehen Sie zu Ihrem Auto.
Es ist eine Sucht. Wissend, wie sehr die Droge Ihnen schadet, bekämpfen Sie den Schmerz mit der giftigen Substanz. Sie können diesem Mann, in dem ein Monster steckt, nicht widerstehen. Je größer der Kater, desto stärker gieren Sie nach der nächsten Dosis. Einmal, ein einziges Mal noch müssen Sie seine gute Seite kosten, um das Monster zu verdauen. Dann können Sie sich endgültig von ihm trennen.
Keine Chance. Obwohl Sie in den kurzen abstinenten Phasen klar erkennen, dass es, mehr als die Wutanfälle, seine Herrschsucht ist, mit der Sie nicht leben wollen. Die Erleichterung beim Betreten Ihrer Wohnung ist immens. Längst lügen Sie, schützen Handwerkertermine vor, um ein paar
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