Falsche Froesche
Stunden Wohlgefühl zu ertricksen. Zu ihm ziehen, Sie Idiotin, Sie waren nahe daran. Damit er Sie rund um die Uhr kontrollieren kann. Und statt aufFreunde, Haushalt oder Ihre Arbeit auf die Minuten eifersüchtig ist, in denen Sie sich innerhalb seines Hauses irgendeiner Aktivität widmen, die nichts mit ihm zu tun hat. Ein Film, ein Buch, ein Vollbad, schon fühlt er sich zurückgesetzt.
Seine Belehrungen kotzen Sie an. Wie kommt er dazu, Sie in Sachen Bekleidung, Lektüre oder Benehmen zu erziehen. Sie sind keine siebzehn, und bislang ohne seine Instruktionen gut gefahren im Leben. Wenn hier jemand einiger Anregungen bedürfte, dann er. Apropos Erziehung: Wieso verweigert jedes seiner drei Kinder, denen er laut eigenen Angaben ein wunderbarer Vater war, den Kontakt?
Sie ergänzen einander. Oh nein. Sie ergänzen ihn. Nicht dass er Sie nicht liebt, auf seine Weise, doch liebt er pervers. Sie passen in sein Schema. Was nicht passt, biegt und bricht und zwingt er hin. Der starke Wille, mit dem er alles beinhart durchsetzt, muss auch bei der Modellierung seiner Frau funktionieren.
Sosehr Sie wünschen, von ihm loszukommen, Sie ringen immer noch um einen Weg, den Kompromiss zwischen Authentizität und Zweisamkeit. Weil kein Mann Sie je so fasziniert hat. Weil Sie glauben, nicht noch einmal so lieben zu können. Weil Sie sich nie im Leben einer Sache so sicher waren wie damals, als Sie ihn trafen.
Er erlöst Sie von dem Kampf, den Sie gegen sich selbst ausfechten. Eines Nachts gehen Sie um 1 Uhr zu Bett, statt ihm bei der dreißigsten Nachrichtensendung Gesellschaft zu leisten. Zwei Stunden später reißt Gebrüll Sie aus dem Tiefschlaf. Er steht im Schlafzimmer, fordert Sie tobend auf, das Haus zu verlassen. Die jüngst bewährte Strategie, sich schlafend stellen, fruchtet nicht. Sie stehenauf, ziehen sich an und schnappen Ihre Handtasche. Als Sie das Haustor öffnen, kommt er mit ausgebreiteten Armen auf Sie zu. Sie ignorieren die Versöhnungsgeste, wenden sich ab und tun den Schritt ins Freie. Die Ohrfeige macht Sie taub.
Während Sie durch den finsteren Garten zu Ihrem Auto gehen, langsam, keine Panik jetzt, kommt ein fürchterlicher Frieden über Sie. Perverse Erleichterung, weil Sie wissen: Jetzt geht nichts mehr.
In eiskalter Ruhe, nur die Hände zittern, schließen Sie Ihre Wohnungstüre auf. Statt des Mitleids mit ihm, dem Verrückten, haben Sie endlich Mitleid mit sich selbst. Sie schalten die Telefone aus und weinen die ganze Nacht. Um sich, um ihn, um eine große Illusion.
Der Hochstapler
Die Stimme des Teufels
hört sich süß an.
Stephen King
FALLE
Er ist ein Mann von Welt.
HIMMEL
Sie sitzen an der Hotelbar, schlürfen Ihren Abendtee und sind stocksauer. Wo ist Ihr Buch. Hätte jemand Sonnenbrille, iPod oder Geld geklaut, bitte sehr. Aber nein, just der spannende Roman war verschwunden, als Sie am Nachmittag vom Swimmingpool zur Liege zurückkehrten. Brutal, zumal Ihre Reisebegleitung Lektüre heißt.
Missmutig lauschen Sie dem Geklimper des Pianisten. Jetzt spielt der auch noch Sinatra-Lovesongs. Ein Pärchen beginnt zu tanzen. Bevor Sie endgültig in Selbstmitleid ertrinken, verlangen Sie die Rechnung. Sie unterschreiben, schnappen Ihre Tasche und rutschen vom Barhocker, da steht das Buch auf dem Tresen. Ein Mann, schüchtern lächelnd, bittet um Verzeihung, er wolle Sie nicht belästigen, dieses Buch lag im Garten unter einem Baum, und da er Sie, Sie nähmen ihm das bitte nicht übel, beim Lesen beobachtet habe, Graham Greene sei übrigens sein Lieblingsschriftsteller, vermute er, es gehöre Ihnen.
Bevor Sie gebührend danken können, verneigt er sich, es war ihm ein Vergnügen, wünscht eine angenehme Nacht und ist verschwunden.
Der Fremde wird zum Vertrauten. Mit dem Krebstod Ihres Mannes vor zwei Jahren ist die Lebensfreude gestorben. Weder Freunde noch Arbeit noch luxuriöse Urlaube,die Sie sich dank des geerbten Vermögens leisten können, helfen. Ohne ihn ist alles leer. Weshalb Sie, bei aller Einsamkeit, auf Annäherungsversuche äußerst schroff reagieren. Hampelmänner. Wer will ihm schon das Wasser reichen.
Dieser Fremde, der Sie zum Reden, sogar zum Lachen bringt, ist anders. Nobel, dezent, feinfühlig. Er drängt sich nicht auf, respektiert Ihr Bedürfnis nach Ruhe, steht zur Verfügung, wenn Sie Gesellschaft brauchen. Sein Charisma fasziniert Sie. Er ist kein Beau. Abgesehen von der gediegen eleganten Bekleidung wirkt er unscheinbar. Mausbraune Haare, Jungengesicht, Brille.
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