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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Wohnung, schon fertig eingerichtet?« »Geht es deiner Mutter wieder besser?« »Ich habe gehört, die Finanzierung für deine Dokumentation über die Anden steht, Glückwunsch. Habt ihr schon einen Kameramann gefunden?« Audrey in ihrem Element. Noa nimmt schon mal Platz und bringt sich auf dem kissenlosen Designer-Stuhl aus transparentem Acrylglas in eine halbwegs bequeme Position. Das hier kann dauern. Obwohl ihre Schwester – abgesehen von Noa selbst natürlich – augenfällig die Jüngste in der Runde ist, dürften ihre beruflichen Erfolge schwer zu übertreffen sein, das schindet natürlich Eindruck. Audrey gibt es nicht gern zu, aber sie genießt Auftritte wie diesen, lässt sich gern feiern. Noa versteht das.
    Während sie Café con Leche und frisch gepressten O-Saft trinkt und mit größtmöglicher Langsamkeit ein verboten süßes, köstliches Schokocroissant vertilgt, stellt sie sich vor, wie es sein wird, auf die nett gemeinte Frage, was sie denn so mache, nicht mehr sagen zu müssen: Ich gehe noch zur Schule.
    Aber wie wird ihre Antwort dann lauten? Ich studiere Biologie und will unbedingt in die Forschung, Schwerpunkt Stammzellenkunde. Oder: Ich bin Kapitänsanwärterin und werde demnächst als erste Steuerfrau einen Bananenfrachter von Panama nach Hamburg steuern. Oder doch bloß: Ich absolviere gerade ein freiwilliges ökologisches Jahr, danach mal sehen. Es ist eine große und äußerst schwierige Entscheidung, die wie der Scheitelpunkt eines Achterbahnhügels mit nervenaufreibender Unerbittlichkeit näher rückt, und anders als ihre Schwester hat Noa zwar tausend Ideen und Interessen, aber keine richtige Berufung. Auf alle Fälle will sie nichts Künstlerisches machen, da würde es ihr nie gelingen, sich aus Audreys Schatten zu befreien.
    Sie will nicht undankbar sein, aber manchmal ist Noa es leid, als Anhängsel ihrer Schwester betrachtet zu werden. Zum Beispiel jetzt gerade. Vielleicht hätte sie besser daheim bleiben sollen, mit ihren eigenen Freunden abhängen oder ausnahmsweise für die Matheklausur lernen, die nächste Woche ansteht. Andererseits: Die Aussicht auf dreißig Stunden Rückkehr in den Sommer war einfach zu verlockend. In Hamburg liegt der Herbst bereits auf der Lauer. Heute früh um fünf, als sie durch die schlafende Stadt raus zum Flughafen fuhren, waren es laut Temperaturanzeige im Taxi gerade mal sieben Grad.
    Viel wärmer ist es in der Bar, in der sie die Zeit vergeuden allerdings auch nicht, denn das Gebäude ist stark klimatisiert. Sehnsüchtig blickt Noa durch das leicht getönte Fenster hinaus aufs Meer, das flach wie ein Spiegel in der gleißenden Sonne liegt.
    »Und was hat dir die Laune verhagelt?«, wendet sich Julian überraschend an sie.
    Audrey winkt ab. »Ach, lass sie, sie schmollt, weil sie am liebsten gleich zum Baden wollte.«
    »Das kann ich allerdings verstehen. Bei der Hitze. Das Wetter ist ja nicht mehr normal für September. Drei Tote in der letzten Woche, stellt euch vor. Hitzschlag – und aus. Schlimm, schlimm.«
    Audrey merkt auf. »Ist es hier sonst nicht so heiß um diese Jahreszeit?«
    »Heiß schon, aber die Luft ist anders.«
    »Inwiefern?«
    Noa registriert, wie Audrey sich innerlich Notizen macht. Wann immer irgendwelche Leute unerwartet aus dem Leben gerissen werden, wittert sie Inspiration, einen möglichen Ausgangspunkt für einen neuen, brutalen Roman.
    »Der Wind weht von der Sahara rüber und lässt die Luftfeuchtigkeit in null Komma nichts dramatisch sinken. Sie haben es in den Abendnachrichten sogar als Aufmacher gesendet, es handelt sich um die Ausläufer eines gewaltigen Sandsturms.«
    Also hatte Noa am Flughafen den richtigen Riecher. In gewisser Weise sind sie tatsächlich in der Wüste gelandet. »Das wusste ich gleich«, entfährt es ihr.
    »Aha. Du bist ja ein schlaues, kleines Ding. Weißt du denn auch, dass die Araber dazu Samum sagen, was so viel bedeutet wie Giftwind?«
    Noa schüttelt den Kopf
    »Giftwind«, wiederholt Audrey fasziniert, und Noa stellt sich vor, wie sie das Wort in ihrem imaginären Notizblock rot umkringelt. Früher oder später wird es irgendwo auftauchen, da geht sie jede Wette ein. Um den Beweis anzutreten, müsste sie allerdings anfangen, Audreys Bücher zu lesen. Warum eigentlich nicht? Alt genug ist sie ja inzwischen.
    »Der Samum hat natürlich, wie alle bösen Jungs, auch seine Qualitäten, liebste Audrey«, hält Julian das Gespräch am Laufen.
    »Als da wären?«
    »Er verdreht allen den Kopf

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