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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Darüber, wie viel Bargeld als Gegenleistung geflossen sein mag, können seine Freundinnen nur spekulieren. Man geht von einem sechsstelligen Betrag aus.
    »Warum macht er denn so was?«, fragt Noa irritiert.
    Audrey zuckt mit den Schultern. »Um seinen leiblichen Vater zu ärgern, nehme ich an.«
    »Dafür blättert er mehr als hunderttausend Euro hin? Wie krank ist das denn bitte?«
    »Ich kann ihn verstehen. Der Alte hat ihm übel zugesetzt, als sie noch miteinander gesprochen haben. Und danach irgendwie auch.«
    »Und wenn schon, er ist sein Vater .«
    »Ja und?«
    »Na, ich wäre froh, wenn ich noch einen Vater hätte.«
    Noa bereut die Bemerkung sofort. Audrey könnte sie falsch verstehen, als Kritik an ihren Qualitäten als Erziehungsberechtigte. Tatsächlich zieht die Schwester eine säuerliche Grimasse und teilt kräftig aus: »Du kannst dir doch gar nichts darunter vorstellen. Wie das so ist mit Vater. Mit unserem Vater.«
    »Deswegen ja. Manchmal denke ich darüber nach, was er oder unsere Mutter von mir halten würden. Ob sie stolz auf mich wären.«
    »Dich fänden sie super, glaub mir«, sagt Audrey und prostet ihr mit dem Champagnerkelch zu. »Was mich angeht, habe ich da so meine Zweifel.«
    Noas Neugier ist geweckt, die der anderen leider auch, woraufhin Audrey sich beeilt, die Unterhaltung wieder in leichtere Bahnen zu lenken. So geht das jedes Mal, sobald sie zufällig auf ihre Eltern zu sprechen kommen, auch wenn sie ungestört sind. Bis zu einem gewissen Grad hat Noa Verständnis. Ihr Tod war ein traumatisches Erlebnis für Audrey: der Unfall, das Feuer, der Verlust. Das Schicksal, überlebt zu haben. Die Schuldgefühle deshalb. Audreys Weg, mit all dem fertig zu werden, ist Schweigen, was es für Noa nicht einfacher macht.
    Was weiß sie denn schon über ihre Familie? Es ist auch ihre Vergangenheit, nicht bloß Audreys. Nur weil sie erst drei Jahre alt war, als ihre Eltern verunglückten, zu jung für eigene Erinnerungen, ist sie außen vor. Nicht mal ein Fotoalbum besitzt sie, denn kurz nachdem ihre Eltern starben, brannte auch noch ihr Haus nieder – eine absurde Pechsträhne. Ihre Mutter und ihr Vater ausgelöscht. Als hätte es diese zwei Menschen nie gegeben. Kein Wunder, dass in Noas Kopf längst alles zu einem riesigen, schwarzen Fragezeichen verklumpt ist. Eine Art Monument.
    »Trink doch mal einen Schluck, Schätzchen«, fordert Audrey sie auf, schenkt ein Glas Champagner ein und hält es ihr hin. »Dann kommst du auf andere Gedanken. Wir sind hier, um uns zu amüsieren.«
    Alkohol als Ablenkung, als Muntermacher, als Seelentröster – solange man nicht übertreibt, funktioniert das durchaus, das weiß Noa aus Erfahrung. Sie war dreizehn, als sie ihren ersten schweren Rausch durchlebte, danach las Audrey ihr die Leviten, erlaubte jedoch fortan, dass sie zum Essen Weinschorle trank oder sich im Restaurant einen Cocktail bestellte.
    Sie führt das Glas zum Mund. Die Champagnerbläschen steigen in geraden Linien auf, kitzeln auf der Lippe. »Auf dich, Audrey«, sagt sie, trinkt schnell und viel und wartet auf die gewünschte Wirkung.
    Sie wird belohnt. Das schwarze Fragezeichen verblasst und schrumpft vor sich hin, bis es in einem Strudel aus Leichtigkeit davontreibt. Irgendwann wird es wieder auftauchen, das weiß Noa. Hoffentlich nicht so bald.
    Am frühen Abend bekommt Noa Kopfschmerzen und ihre Lust, an der Party teilzunehmen, tendiert gen null. Durch das geöffnete Fenster kann sie hören, dass es losgeht. Sie ist in einem Gästezimmer unterm Dach der Villa untergebracht, wo sie sich, noch immer im Bikini, auf dem Bett fläzt und abwechselnd die plüschige Einrichtung und die Decke anstarrt, die allen Ernstes mit einem Gemälde versehen ist: zwei Händchen haltende Putten, fürchterlicher Kitsch. Reichtum schützt leider nicht vor schlechtem Geschmack, eher im Gegenteil.
    Noa seufzt. Ihre Haut ist heiß und brennt, vor allem an Rücken und Schultern. Sie hat vergessen, sich einzucremen. Als es klopft, bleibt sie liegen und gibt ein undefinierbares Brummen von sich.
    »Sag nicht, du machst schlapp.« Audrey steckt den Kopf zur Tür herein, dezent in Parfümduft gehüllt. Sie ist toll geschminkt, Smokey-Eyes, die den Grünanteil ihrer Iris dramatisch unterstreichen.
    »Hab ich schon«, gesteht Noa.
    »Und die Party? Du bist ausdrücklich eingeladen. Julian mag dich sehr.«
    Noa überlegt, lauscht eine Weile auf das Stimmengewirr und die Musik am Pool: Der DJ lässt es locker angehen,

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