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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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wenngleich von unbekanntem Ort. Sie kommunizierten per E-Mail mit der Presse und erzählten ihre Geschichte. Aber sie blieben verschwunden.
    Jetzt saß Söderstedt da und dachte über die Geschichte nach. Jede Sekunde, in der er es unterließ, an Rajko Nedic und Niklas Lindberg zu denken, bereitete ihm ein schlechtes Gewissen. Allerdings immer weniger. Er konnte diese Geschichte nicht loslassen.
    Ein Paar, vermutlich Liebende, nennt einander Orpheus und Eurydice – der antike Sänger und seine Geliebte, die er aus dem Totenreich heraufsang. Sie zitieren zwei kriminelle Schwestern, die sich ebenfalls aus dem Totenreich befreiten und denen es nebenbei noch gelang, ihren Quälgeist zu versenken und selbst reich zu werden, und sie teilen sich ihre jeweiligen Positionen in verschiedenen Teilen Schwedens unter der Rubrik ›Ich liebe dich‹ der Woche in Gula Tidningen mit. Hier ging etwas vor sich, was vermutlich nicht gänzlich im Rahmen des Gesetzlichen lag.
    Söderstedt hielt das umfangreiche Ermittlungsmaterial über die Sicklaschlacht in der einen und den mageren Ausdruck aus Gula Tidningen in der anderen Hand. Merkwürdig war nicht nur, dass sie gleich schwer wogen, sondern dass sie sich auch gegenseitig anzogen wie Magneten.
    Zwei Positionen. Orpheus in Arvika, Eurydice in Alingsas. Zwei Zitate, mit Anführungszeichen und allem: ›Kein Verbrechen ist schlimmer als bitterer Verrat, sagten die Schwestern Florento.‹ – ›Aber die Schwestern lösten sich in Luft auf.‹ Da traf ihn ein Genieblitz, er rief Gula Tidningen an und bekam den Webmaster ans Telefon.
    Doch, die Zeitung hatte Backups von den Annoncen des letzten halben Jahres.
    Arto Söderstedt ballte sekundenkurz die Hand zur Faust. Dann bat er darum, die Annoncen der Rubrik ›Ich liebe dich‹ vom letzten Monat gemailt zu bekommen. Das würde gehen. Es dauerte eine knappe Stunde.
    Dann durchsuchte er das umfangreiche Material mit der Suchfunktion. Während ein ›Orpheus‹ nach dem nächsten auf seinem Bildschirm hervorgehoben wurde, dachte er darüber nach, wie drastisch diese kleine Funktion die polizeiliche Arbeit effektiviert hatte. Schließlich hatte er eine Sammlung gleichartiger Mitteilungen vor sich. Sie sahen alle gleich aus. Zuerst der Name des Empfängers (Orpheus oder Eurydice); dann, in Anführungszeichen, eine kleine Phrase mit mehr oder weniger klarem Bezug zu den Schwestern Florento; dann die Positionsbestimmung aus Motormännens vägatlas över Sverige, die übrigens ohne Ausnahme auf eine Stadt hinwies; schließlich der Absender (Orpheus oder Eurydice). Immer exakt die gleiche Form.
    Die erste Mitteilung war am Mittsommerabend abgeschickt worden, am fünfundzwanzigsten Juni. Söderstedt spürte, wie die beiden Papierstapel näher zueinander gesogen wurden. In der Nacht auf den Mittsommerabend hatte die Sicklaschlacht stattgefunden.
    Er betrachtete die erste Mitteilung eingehender. Sie kam von Orpheus. Der Code aus dem Straßenatlas sagte: Orsa in Dalarna. Und hier stand kein Zitat, sondern ein Hinweis: ›Expr., 24.06, S. 12 oben‹. Eurydices Antwort kam knapp zwei Stunden später, zusammen mit einem Code, der auf Falkenberg an der Westküste hinwies. Jetzt gab es ein Zitat: ›Die Schwestern waren nur seelische Schwestern.‹
    ‹Expr.‹? Und dann ›S. 12 oben‹. Sicher war dies ein Hinweis auf den oberen Teil der Seite zwölf in Expressen vom vorhergehenden Tag. An Mittsommerabend waren wohl keine Zeitungen erschienen. Vielleicht hatte Orpheus die Abendzeitung vom Vortag zur Hand – und dort gefunden ... ?
    Söderstedt rief in der Bibliothek des Polizeipräsidiums an. Eine Dame meldete sich, und fünf Minuten später brachte eine junge Frau ihm den Expressen vom vierundzwanzigsten Juni. Das meiste handelte vom Kvarnenmord, aber ganz oben auf Seite zwölf stand ein Artikel mit der Überschrift: ›Die Schwestern, die sich in Luft auflösten‹. Es war ein Folgeartikel über die Schwestern Florento. Nach ein paar Zeilen stieß er auf den Satz: ›Die Schwestern Florento waren nur seelische Schwestern‹. Noch ein Stück tiefer stand: ›Kein Verbrechen ist schlimmer als bitterer Verrat, sagten die Schwestern Florento.‹
    Und der Artikel endete mit den Worten: ›Aber die Schwestern lösten sich in Luft auf.‹
    Er ging den Rest der Mitteilungen aus der Rubrik ›Ich liebe dich‹ durch. In allen fanden sich Zitate aus dem Artikel in Expressen.
    Rekonstruktion, dachte Söderstedt und lehnte sich zurück. Orpheus findet den

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