Falsche Opfer: Kriminalroman
Artikel über die Schwestern Florento. In seiner ersten Mitteilung an Eurydice weist er darauf hin. Sie antwortet nach zwei Stunden, da hat sie sich allem Anschein nach ins mittsommerlich verödete Falkenberg begeben und den Expressen vom Vortag besorgt, und sie antwortet mit einem Zitat aus dem Artikel: ›Die Schwestern waren nur seelische Schwestern.‹ Die beiden haben also im vorhinein beschlossen, sich Orpheus und Eurydice zu nennen, die aus dem Totenreich aufgestiegen sind. Dann finden sie einen Artikel über ein seelisches Schwesternpaar, das das gleiche geschafft und außerdem noch eine märchenhafte Geldsumme mitgebracht hat. Sie identifizieren sich mit den Schwestern und schicken jedes Mal ein Zitat aus dem Artikel. Sie bewegen sich durch Schweden, in verschiedenen Teilen des Landes, und sie haben vorher beschlossen, über die harmloseste, versteckteste Seite von Gula Tidningen mit der Rubrik ›Ich liebe dich‹ der Woche Kontakt zu halten. Das setzte Internet-Zugang voraus. Wie? Und warum das Internet? Warum kein Direktkontakt? Um die Gefahr, aufgespürt zu werden, zu vermeiden? Hmm.
Der Server, dachte Söderstedt. Es musste möglich sein festzustellen, woher diese Mitteilungen an Gula Tidningen kamen.
Neuer Kontakt mit dem Webmaster. Ja, Orpheus und Eurydice hatten denselben Server. Einen spanischen Gratis -Server mit Namen Virtud. Er fand ihn im Netz. Nach einer Weile sprachlicher Verwirrung und allgemeinem Widerstand akzeptierte der Webmaster von Virtud, dass Arto Söderstedt schwedischer Polizist war und rückte, immer noch äußerst widerwillig, mit den Angaben über Orpheus und Eurydice heraus. Sie waren als Baruch Spinoza und Elton John registriert. Das besagte nicht viel. Wichtig war, dass es zwei Telefonnummern gab.
Zwei Mobiltelefonnummern.
Orpheus und Eurydice gingen also von Mobiltelefonen aus ins Internet.
Er suchte die Nummern bei Comviq. Beide waren dort registriert. Auf den gleichen Adressaten. Ein Restaurant.
Restaurant Tartaros in Östermalm.
Neue, immer atemlosere Kontakte, jetzt mit der Patent- und Registrierbehörde. Was war das Restaurant Tartaros?
Schließlich erhielt Arto Söderstedt Auskunft auf seine Frage nach dem Besitzer.
Das Restaurant Tartaros gehörte einem Mann mit Namen – Rajko Nedic.
Arto Söderstedt fühlte sich plötzlich ganz, ganz ruhig.
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D as fehlende Glied zwischen Sara Svenhagen und Jorge Chavez hieß Gunnar Nyberg. Vor nur einer Woche hatte er noch mit Sara im Paar gearbeitet, jetzt arbeitete er mit Jorge im Paar.
Obwohl es vielleicht ein bisschen weit ging, von Paar zu sprechen. Sie liefen nicht abwechselnd mit ihren Dienstwaffen im Anschlag dunkle Treppen hinauf, sie schützten einander nicht, wenn sie sich in eine finstere Gasse schlichen, sie spielten nicht netter und böser Bulle in irgendeinem nächtlichen Vernehmungszimmer. Nein, sie saßen an Computern. Ohne eigenes Verschulden war der einstmals so raubeinige Bodybuilderbulle vom einen Computergenie zum anderen geworfen worden und war darüber tatsächlich richtig gut geworden im Umgang mit dem Internet.
Jetzt reichte es allerdings auch.
Die Rückversetzung zur A-Gruppe hatte auf unerklärliche Weise alte Gewohnheiten neu belebt. Oder möglicherweise Unarten. Er begab sich wieder in die Unterwelt, in das Territorium des alten Gunnar Nyberg. Plötzlich bekam er genug von virtuellen Cybernazis und aktivierte eine überraschende Menge Fußvolk bei der Jagd auf die einzige Branche, die nie Urlaub machte.
Als erstes gab es eine Räuberbande. Diese Räuberbande bestand in hohem Maße aus relativ jungen Rechtsextremisten. Aber auch aus waschechten Berufsverbrechern wie Danne Blutwurst. Nyberg organisierte eine umfassende Befragung von Berufsverbrechern, Bankräubern und Skinheads. Er verfolgte vor allem die Spuren im Umkreis von Danne Blutwurst und Roger Sjöqvist.
Noch hatte es zu nichts geführt.
Als zweites gab es eine Drogenbande. Rajko Nedic schien zwar unerreichbar, doch auf Dealerebene musste man irgendwo einhaken können. Egal wie.
Das war es, womit er im Augenblick beschäftigt war. Die alte Einschüchterungstaktik saß noch im Rückgrat. Er richtete seine unangenehm unveränderlichen einhundertsechsundvierzig Kilo über einer schmächtigen Figur namens Robban auf, einem bekannten Großdealer in Hjulsta. Robban saß in seiner Wohnung und betrachtete mit großen Augen die zerschmetterte Wohnungstür, die in Fetzen – nicht Splittern, nicht Bretterstücken, sondern
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