Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
inwendig. Nichts sollte mehr verheimlicht werden.
    Und doch geschah genau das. Eine doppelte Mauer erhob sich zwischen ihren engverschlungenen Körpern. Die Mauer der beiderseitigen Schweigepflicht. Und dazwischen ein sonderbares, vermintes Gelände.
    Sie versuchten sich einzureden, dass die Mauer sie nicht berührte, nichts mit ihrer Zweisamkeit zu tun hatte, nur mit der Arbeit. Aber es ging nicht richtig. Die Arbeit war ein Teil von ihnen.
    Man konnte sich, genaugenommen, zur Arbeit nur auf zweierlei Weise verhalten. Entweder man macht irgendeine Arbeit, egal was, wenn nur der Gehaltsscheck am Monatsende eingeht – oder man sucht sich zielbewusst eine Arbeit, mit der man sich innerlich im Einklang weiß.
    Sara Svenhagen und Jorge Chavez hatten beide letzteres getan. Wenn sie an ihren Ermittlungen arbeiteten, wenn sie sich langsam, ganz langsam einer verborgenen Wahrheit annäherten, taten sie zugleich etwas anderes. Etwas Wichtigeres. Stellten eine Ordnung wieder her, fanden Muster im Dasein, deckten verborgene Strukturen auf, näherten sich langsam dem eigentlichen Sinn. Sie taten ihre Arbeit mit Hingabe. Ein anderes Wort gab es nicht.
    Und jetzt liebten sie sich mit der gleichen Hingabe. Zwei Hingaben im Clinch.
    Jorge schmerzte seine Undankbarkeit. In der Überzeugung, ›nur‹ den Kvarnentäter lokalisiert zu haben, hatte Sara die A-Gruppe mit einem Fotomaterial versehen, das ihnen ermöglichte, die gesamte Gang 2 zu identifizieren, und das auch noch Bilder von Gang 1 lieferte. Es war wie eine Liebesgabe. Leider war das Bild des ›Polizisten‹ so gut wie nicht existent, und es war vor allem dieser ›Polizist‹, der der Grund für seine Undankbarkeit war. Wenn wirklich ein Polizist in die Sache verwickelt war, dann war strengste Schweigepflicht ein absolutes Muss, und das machte es unmöglich, irgendwelche wesentlichen Aspekte der Sicklaschlacht zu diskutieren. Und er war überzeugt, dass ein Gedankenaustausch über Niklas Lindberg und ›Kulan‹ Kullberg den Fall wirklich weitergebracht hätte. Er hätte gern Saras Meinung über Rajko Nedic und Lordan Vukotic gehört, über Danne Blutwurst und Roger Sjöqvist und Sven Joakim Bergwall und Eskil Carlstedt und eine Gang mutmaßlicher Kriegsverbrecher aus dem früheren Jugoslawien. Und – vor allem – über den ›Polizisten‹. Doch das war ausgeschlossen. Eine Mauer verhinderte es.
    Sara hatte sich zwar gefragt, was der sonderbare Ausruf ›der Polizist‹ bedeuten mochte, den Jorge ausstieß, als das Foto des verborgenen Mannes aus dem Entwicklungsbad gehoben wurde. Doch ihre Frage war bald hinter ihrem eigenen Dilemma verschwunden. Ihrer Mauer. Ihr Vorgesetzter, Kommissar Ragnar Hellberg, hatte ihre Ermittlung totgeschwiegen, sie rigorosester Geheimhaltung unterworfen – und jetzt fragte es sich, ob dies seinerseits auf einem Dienstvergehen beruhte. Oder sogar einem Verbrechen. Er hatte zielbewusst sämtliche Spuren einer E-Mail-Adresse ausgelöscht, die ziemlich häufig auf verschiedenen Pädophilen-Homepages vorkam: ›brambo‹. Allem Anschein nach war ›brambo‹ ein Pädophiler, der im Internet aktiv war. Sie konnte einen von zwei Wegen wählen. Entweder konfrontierte sie Ragnar Hellberg mit ihrer Entdeckung. Oder sie suchte weiter nach ›brambos‹ Identität. Das einzige, was sie nicht konnte, war mit Jorge zu sprechen. Dies war ihre Mauer, und nur ihre.
    Also lagen sie da, so eng zusammen, wie man einander nur kommen konnte – und gleichzeitig sehr weit voneinander entfernt. Zwischen ihnen lag ein sonderbares, vermintes Gelände.

33

    D ie Schwestern Florento waren in der Tat Kriminelle. Arto Söderstedt fand sie ziemlich schnell im Pressearchiv. Besonders in der Boulevardpresse war die Geschichte während einiger Tage um Mittsommer herum heftig aufgebauscht worden – länger hielt sich eine Neuigkeit selten.
    Die Schwestern waren Prostituierte in Atlanta, Georgia. Sie hatten zu einem riesigen Stall von Kolleginnen unter einem Superzuhälter namens Big Ted Curtis gehört, der seine Huren ziemlich schlecht behandelte, selbst mit Zuhältermaßstab gemessen. Unter schwierigen Umständen war es den Schwestern gelungen, eine Internetschaltung aufzubauen, mit der sie sich
    Zugang zu Big Teds Bank verschafft, sein Konto geleert und sich anschließend in Luft aufgelöst hatten. So ruiniert, beging er Selbstmord, und der ganze Stall von Prostituierten wurde freigelassen.
    Vor einigen Wochen nun hatten die Schwestern Florento sich gemeldet,

Weitere Kostenlose Bücher