Falsche Opfer: Kriminalroman
Enköping fuhr er durch eine Ortschaft namens Grillby. Der Name setzte in seinem Innern ein kleines Klingeln in Gang. Grillby? Er war einmal in Grillby gewesen. Wo? Wann? Wieso? Aber er verstand nicht, warum er jetzt daran dachte. Wahrscheinlich kam es von einer gewissen Zerstreutheit, die sich beim Fahren einstellte.
Hinter Örebro rollte er über die Ebene von Närke nach Kumla. Es hatte nicht viel länger gedauert als eine Stunde. Er wandte sich an den Anstaltsdirektor und saß wenig später mit den gesammelten Werken des Trios vor sich in einem Vernehmungsraum.
Das Material von Interpol war umfangreich, aber nicht besonders aussagekräftig. Es gab zahlreiche weiße Flecken auf der Karte der Verbrechenslandschaft, vor allem im Zusammenhang mit den jugoslawischen Kriegen. Zoran Koco war bosnischer Moslem aus Sarajewo und während des Bosnienkriegs offenbar einer der führenden Schwarzmarkthaie gewesen. Petar Klovic war bosnischer Serbe und Lagerwache in einem Konzentrationslager für Moslems gewesen. Keine Straftaten – wenn man von Verbrechen gegen die Menschlichkeit absah. Risto Petrovic war Kroate und ehemaliger Befehlshaber einer paramilitärischen Truppe, die an ethnischen Säuberungen beteiligt war. Allerdings von Serben in Kroatien.
Eine im höchsten Grad unheilige Allianz.
Der weiße Fleck auf Niklas Lindbergs Karte war das Jahr in der Fremdenlegion. Von Mai 94 bis Mai 95. Da waren Koco und Klovic bereits in Schweden. Nicht jedoch Petrovic. Für ebendiesen Zeitraum wies das Material über ihn eine auffällige Lücke auf. Im Juli 95 kam er nach Schweden und schloss sich Rajko Nedics Gang an, was natürlich unbestätigt war, wurde schon im September als Drogendealer inhaftiert und wartete seitdem im Gefängnis auf seine Ausweisung.
Nyberg rief die Interpol-Abteilung im Reichskriminalamt an. Diese wandte sich ihrerseits an die Fremdenlegion und meldete sich eine Stunde später mit einer Anzahl möglicher Namen aus den Jahren 94-95.
Während dieser Stunde hatte Gunnar Nyberg versucht, sich einen Reim auf die Dinge zu machen.
Ein Kroate, der an ethnischen Säuberungen beteiligt gewesen war. Es hing ein leichter Geruch von Ustascha über dem Ganzen, der faschistischen Organisation, die während des Zweiten Weltkriegs Serben ausrottete. Es war nicht ganz unwahrscheinlich, dass Risto Petrovic den Weg über die Fremdenlegion genommen hatte, unter falschem Namen, um sich der internationalen Gerichtsbarkeit zu entziehen. Dort hatte er einen Gesinnungsfreund getroffen, den abgesprungenen schwedischen Gebirgsjägermajor Niklas Lindberg. Petrovic hatte sich dann bei dem Serbenschweden Rajko Nedic eingenistet, der nicht sonderlich an ethnischer Reinheit interessiert war, um Lindberg mit Informationen zu versorgen, beispielsweise über eine bevorstehende Großtransaktion von Nedic an einen schwedischen ›Polizisten‹. Aber war Lindberg wirklich groß genug, um einen Spion bei Nedic einzuschleusen? Oder existierten größere rechtsextreme Organisationen im Hintergrund? Die Petrovic wie auch Lindberg lenkten? Und wenn ja, fanden sich hinter der Sicklaschlacht größere Motive?
Als er dort in dem kleinen Vernehmungsraum saß, bekam Gunnar Nyberg das Gefühl, dass die Wände immer näher krochen. Was war das für ein seltsamer Zusammenhang, auf den er gestoßen war? Dank eines kaninchenähnlichen Drogendealers mit Namen Robban.
Da begann das Faxgerät zu knarren. Drei Karteiauszüge aus der Fremdenlegion 1994-95. Drei jugoslawische Namen und drei nicht besonders gute, doch klar erkennbare Fotografien.
Gunnar Nyberg rief Jan-Olov Hultin an. Er erklärte die Lage und nahm verschiedene Order entgegen. Alle klangen gut.
Er ließ Risto Petrovic hereinrufen. Eine gewisse Genugtuung breitete sich in dem Riesenkörper aus, als er auf Anhieb das Gesicht von einem der Fotos erkannte.
Petrovic saß da und sah ihn an. Er war groß, kompakt und übermäßig aufgepumpt in dieser spezifischen Knastweise. Ein Körper, der keine Bewegung hat, dafür aber jede Menge Schrott hebt. Und der Blick war grausam und grenzte ans Unmenschliche. Genau wie Gunnar Nyberg gehofft hatte.
Als er den Mund aufmachte, war er sich voll und ganz darüber im klaren, dass er in diesem Augenblick Risto Petrovic zum Tode verurteilte.
»Jovan Sotra?« las er von einem der Faxe.
Petrovic gefror zu Eis. Alle Konsequenzen standen ihm unmittelbar klar vor Augen. Im gleichen Moment, in dem Koco oder Klovic oder irgendein Nedic Nahestehender auch nur von
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