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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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sagen.
    »Wir könnten den Betrieb jetzt zumachen«, sagte Hjelm. »Es ist Mittagszeit. Wir könnten rausgehen in den immer empörteren Warteraum und sagen: Tut uns leid, kommen Sie morgen wieder. Niemand würde uns Vorwürfe machen.«
    Er sah ihr in die Augen. Forschend. Versuchte zu sehen, was da vor sich ging. Und sie ließ sich ausforschen. Forschte zurück.
    »Nein«, sagte sie.
    »Nein«, sagte er.
    Und wahrscheinlich gelang es ihnen wirklich zu sehen, worauf die Gedanken des anderen abzielten. Und es ging nicht mehr nur um eine Kneipenschlägerei.
    Kerstin Holm drückte auf den Knopf eines internen Telefons, und ein großer schlaksiger Mann um die Fünfzig trat ein. In einem Trainingsanzug, in dem er aussah wie ein Camper, der sich verlaufen hat.
    »Stein Bergmark, nicht wahr?« sagte Kerstin Holm und streckte ihm die Hand hin. Er ergriff sie und deutete galant einen Handkuss an. Dann begrüßte er Hjelm etwas männlicher. Absurd männlich, fand der, eine Spur zu spät, als der Schmerz kam.
    »Die Steintunte«, sagte Stein Bergmark. »Volltreffer der Byenfans.«
    Ihre Blicke mussten einen nicht geringen Teil Verwunderung ausgedrückt haben, denn er fügte hinzu, während er seinen Zweimeterkörper zwischen den Tisch und den Stuhl klemmte: »Sie wissen nicht, dass ich Stein heiße, aber sie finden mich steincool. Zwei Fliegen mit einer Klappe, kann man sagen.«
    »Sie gucken sich also unter den Byenfans gern Gesellschaft aus«, sagte Holm. »Und die haben nichts dagegen?«
    »Ich nehme an, es spricht ihre latente Homosexualität an. Die unterschwellig immer im Spiel ist, wenn man mit Männern zu tun hat.«
    »Haben Sie jemals jemanden abbekommen?«
    »Häufiger, als Sie glauben, Frau Polizistin.«
    »Aber diesmal suchten Sie nicht unter den Byenfans, nicht Wahr?«
    Der Lange lachte auf. »Ich muss gestehen, dass mein Begehren diesmal mehr auf intellektuelle Stimulanz ausgerichtet war. Oder zumindest pseudointellektuelle. Wahrscheinlich spürte es, dass der Mangel akut geworden war. Sie wissen natürlich, dass das Bedrohlichste an der Homosexualität durch die Jahrhunderte hindurch ihr klassenüberschreitender Charakter gewesen ist?«
    »Sie wohnen auf Östermalm und sind Abteilungsleiter beim Patentamt, ja.«
    »Der vor allem mit arbeitslosen Hammarbyfans aus Bagarmossen und Ragsved verkehrt.«
    »Wieso übrigens pseudointellektuell?«
    »Der Junge mit dem Buch.«
    »Aber warum pseudo?«
    »Das sah ein bisschen künstlich aus mit diesem Buch. Als wollte er ein wenig mit einer Bildung angeben, die er in Wirklichkeit nicht besaß. Und ich war nicht der einzige, der seine Gesellschaft suchte, wie Sie es so diplomatisch ausdrücken, Frau Polizistin. Er war ein richtiger kleiner Leckerbissen. Sie haben nicht zufällig seine Adresse?«
    »Nicht der einzige?«
    »Von wegen«, sagte Stein ›Steintunte‹ Bergmark. »Eine Clique Machoschwuler saß die ganze Zeit da und starrte ihn an.«
    »Eine Clique Machoschwuler?«
    »Im Moment verhalten Sie sich genau wie mein Psychoanalytiker, Frau Polizistin. Fünfhundert Mäuse die Stunde dafür, dass Sie wiederholen, was ich gerade gesagt habe.«
    »Mit dem Unterschied, dass ich keine fünfhundert Mäuse die Stunde verdiene.«
    »Der Tisch neben der Tür. Wie soll ich sie beschreiben? Skinheads, die die Altersgrenze überschritten haben. Edel-schwedische Bodybuilder. Fünf Mann.«
    »Und alle starrten den Lesenden an?«
    »Drei von ihnen. Die mit dem Rücken zur Wand saßen. Zwei saßen mit dem Rücken zum Lokal. Die starrten nicht. Aus natürlichen Gründen.«
    »Sind Sie sicher, dass sie den lesenden Jungen anstarrten?«
    »So hat mein konkurrenzbewusstes Begehren es jedenfalls aufgefasst. Ich wurde eifersüchtig. Wer wählt einen Aal, wenn er fünf Filetsteaks in Reichweite hat?«
    »Wer saß noch in der Richtung der Blicke?«
    »Aber ich bitte Sie, Frau Polizistin. I only had eyes for him.«
    »Versuchen Sie‘s.«
    Stein Bergmark saß reglos. Vor seinem inneren Auge erstand ein Bild. »Ich saß an dem Tisch direkt vorm Tresen. Neben mir saßen ein paar angejahrte Künstlertypen und diskutierten darüber, welches Lied von Cornelis Vreeswijk von der Spitze des noch ungebauten Minaretts gegenüber vom Björnschen Garten gesungen werden sollte. Vor meinen Augen saßen zwei Paare, die sich ziemlich ungehemmt sexuellen Phantasien hingaben. Hinter ihnen, neben unserem Leser und an der Wand, saß eine Anzahl ausländischer Gentlemen und unterhielt sich auf englisch mit einem

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