Falsche Opfer: Kriminalroman
Kinn runter.«
»Würden Sie ihn erkennen, wenn Sie ihn wiedersähen?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Wie viele waren Sie?«
»Fünf.«
»Aber als die Türsteher die Tür blockierten, waren nur noch Sie da?«
»Die anderen waren vorher gegangen. Standen wohl draußen auf der Straße und warteten. Wir wollten zur nächsten Kneipe. Ich war zurückgeblieben, um zu bezahlen. Wie gesagt.«
»Wie mehrfach gesagt, ja«, sagte Kerstin Holm. »Und wer waren die Kumpels?«
Eskil Carlstedt breitete die Arme aus, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und strich sich über den glatten Schädel. »Einfach Kumpels. Eine Verkäufer-Clique. Wir gehen einmal die Woche zusammen aus. Reißen Bräute auf.«
»Und hören Musik«, sagte Paul Hjelm.
Carlstedt stöhnte. »Musik? Hören Sie mal, wie lange soll ich hier noch sitzen? Ich habe ein paar Stunden vor der Tür gewartet und habe noch einen Termin.«
»Uns liegen Zeugenaussagen vor, dass Sie schweigend zusammensaßen und dass mindestens einer von Ihnen Ohrstöpsel trug.«
Carlstedt warf ihm unter nicht vorhandener Stirnlocke einen Blick zu. Nachdenklich. Er überlegte. »Jaja, okay, jetzt verstehe ich. Doch, Kalle macht in einer Rockgruppe mit. Catwalks. Karl-Erik Bengtsson. Wir haben uns eine Demo angehört. Die können richtig gut werden. Haben schon einen Vertrag für eine CD.«
»Und Sie haben alle gehört?«
»Ich verstehe nicht, was das hier mit dem Totschlag zu tun hat.«
»Haben Sie alle gehört?«
»Ja. Wir hatten nur ein Gerät und mussten nacheinander hören.«
»Also gingen die Ohrstöpsel von einem zum andern?«
»Ja. Und das dauerte ein bisschen, also wurde nicht besonders viel geredet.«
»Und die anderen? Können wir die erreichen?«
»Selbstverständlich. Obwohl sie ja keine Zeugen sind. Sie waren ja schon auf der Straße, als es passierte.«
»Wie gesagt. Fällt Ihnen sonst noch etwas ein?«
»Wie zum Beispiel?« seufzte Eskil Carlstedt und starrte demonstrativ auf seine Uhr.
»Zum Beispiel, wer sonst noch im Lokal war. Wir suchen Zeugen.«
»Aber verflucht noch mal, es war doch brechend voll. Okayokayokay. Ganz ruhig. Die, die standen, waren fast alle Byenfans. Bevor die Fans kamen, saßen alle. An der Theke war es leer, aber alle Sitzplätze waren belegt. Außer neben dem Jungen mit dem Buch. Da setzten sich die ersten Fans hin. Die Brautparty an den Fenstertischen unten. Daneben, auf unserer Seite, ein paar solche Yuppietypen oder Computerheinis. Dann der Junge mit dem Buch. Zwei leicht angegraute Paare, die richtig geil aussahen. Eine Schwuchtel. Ein paar Künstlertypen. Und zu uns hin ein paar gemischte Typen, eine Clique, vielleicht Studenten.«
»Sonst niemand?« fragte Kerstin Holm.
Hjelm betrachtete sie aufmerksam.
»Nicht, soweit ich mich erinnern kann. Aber die Hammarbyfans waren ja an die dreißig Mann. Obwohl die Hälfte von ihnen verschwand, bevor die Türwachen reagierten.«
»Aber Sie sind der Meinung, dass es unter den Hammarbyfans eine Reihe von Zeugen geben muss?«
Eskil Carlstedt lachte leicht. »Mindestens zehn Mann haben zugeguckt. Aber die dürften ja wohl nichts sagen.«
Hjelm stand auf und beugte sich über den Tisch.
»Dann stehen nur noch zwei Dinge aus, bevor Sie zu Ihrem ersehnten Treffen abdampfen dürfen. Erstens: Sie kommen mit zum Polizeizeichner und machen eine Rekonstruktion des Täters. Zweitens: Hinterlassen Sie in der Anmeldung unten in der Halle die Namen und Anschriften Ihrer vier Kumpel. Okay?«
»Okay«, seufzte Eskil Carlstedt und warf einen Blick zur Uhr.
Sie saßen still da, ihre Blicke ineinander verloren. Oder kurz und gut verloren. Vor ein paar Jahren hatten sie miteinander geschlafen. Ein einziges Mal. In Malmö. Während einer intensiven Jagd nach dem sogenannten Machtmörder. Der größte -und bei eingehender Betrachtung einzige – Erfolg der A-Gruppe. Die Medien riefen sie zu Helden aus. Die Gruppe wurde als »Sondereinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter beim Reichskriminalamt« dauerhaft etabliert. Dann kam der Kentuckymörder. Und ihre Affäre ging in Freundschaft über. Ziemlich enge Freundschaft. Sie waren zusammen in den USA. Sie arbeiteten mit dem FBI zusammen und wurden Jalm & Halm genannt, wie ein hölzernes Komikerpaar im Variete. Es ging gut. Sie knackten ein altes Rätsel. Fingen einen gesuchten Serienmörder. Dann trafen sie eine falsche Entscheidung, und das Märchen der A-Gruppe war aus. Böses Blut kehrt wieder.
Doch das wollten sie nie wieder
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