Falsche Opfer: Kriminalroman
gleichsam durch sie hindurch, langsam, schmerzvoll.
Der Kleine zuckte mit den Schultern und trat zur Seite.
Der Verletzte löste sich von der Tür. Seine weite Militärhose beulte am Schlitz aus. Er beugte sich vor. Sie sah den Schmerz in seinen Augen, während er ihre Hose packte. Er zerrte sie herunter, riss sie ihr von den Beinen, dass die Schuhe wegflogen. Sie fühlte, wie ihr linker Fuß sonderbar verdreht wurde. Dann zog er seine Militärhose herunter. Die Unterhose. Und sie starrte auf seinen Ständer. Er kletterte über sie und bewegte das Glied zu ihrem Gesicht hin. Der Gestank von Schweiß und ungewaschenem Geschlecht strömte über sie.
Und sie war durch die Tür. Sie war da. An dem Ort. Die schattige Tiefe des Hades. Und sie sah ein Glied, das sich näherte. Sie spürte den Gestank von Schweiß und ungewaschenem Geschlecht. Sie sah die Blitzlichter. Sie sah Bilder von Kindern. Sie hörte Schreie, die ihre eigenen gewesen sein mussten. Und sie wandte sich ab. Sie war nicht da. Sah durchs Fenster hinaus und dachte. Die Verteidigungsstrategie. Die Straße vor dem Fenster. Wagen, die vorüberfuhren. Autonummern. AGF. Agfa Film. BED. Englisch für Bett. DTR. Dithyrambe, was das nun sein mochte. EID. Eider. Oder first aid. Obwohl man es so wohl nicht aussprach. Und im Hintergrund, unter den ständig dunklen Wolken, der Blumenladen, der Videoladen, der Herrenfriseur, die Bank.
Die Bank.
Da wurde die Tür aufgesprengt. Sie hörte Schüsse. Der Mann auf ihr schoss und brüllte und fiel. Klebrige Flüssigkeit rann über sie.
Alles war Chaos.
Und Chaos war im Anfang.
Die Polizeiwache in Skövde war das, was man vielleicht als schwach besetzt bezeichnen konnte. Der diensthabende Vorgesetzte war allein. Der Rest der kleinen Truppe war unterwegs in der Stadt. Zwei kümmerten sich um einen Einbruch in das Lager von Konsum in der voraufgegangenen Nacht. Der Rest war auf Streife. Also fand der diensthabende Vorgesetzte es ziemlich merkwürdig, sieben höhere Polizeibeamte in Zivil in der Wache zu haben.
Er war einundsechzig und sah erwartungsvoll seiner Pensionierung entgegen. »Seid ihr sicher, dass ihr nicht lieber die Nationale Einsatztruppe hinzuziehen solltet?« sagte er zum vierten Mal.
Obwohl seine Frage eine unangenehme Wahrheit beinhaltete, hatte Jan-Olov Hultin angefangen, ihn zu ignorieren.
Er betrachtete seine Truppe. Die A-Gruppe war vollzählig zur Stelle. Sie hatten sich um zwei Karten versammelt. Die erste war ein ganz normaler Stadtplan von Skövde. Die zweite war der Detailplan eines Gebäudes.
»Also, noch einmal von vorn«, sagte Hultin. »Das Hotel liegt hier, am Stadtrand. Die junge, alleinreisende Frau, die unter dem Namen Sonja Karlsson eingecheckt hat und die wahrscheinlich unsere Eurydice ist, hat ein Zimmer in einer Ecke im Erdgeschoss bezogen. Hier. Es gibt zwei Zugänge, einen vom Hotelinnern aus, einen anderen vom Balkon. Außerdem gibt es Fenster an der gegenüberliegenden Wand, wir wissen nicht richtig, wie hoch. Zwei Mann gehen über den Balkon, Hjelm und Holm. Zwei stehen am Fenster, Chavez und Nyberg; Hocker zum Draufstehen werden mitgenommen. Drei gehen durch den Haupteingang. Norlander, Söderstedt und ich. Alle tragen kugelsichere Westen. Zuerst checken wir ab, was da drinnen vor sich geht. Kontakt via Walkie-Talkie. Wenn Lindbergs Gang drin ist, schlägt Norlander die Tür ein. Die anderen warten, bis sie hören, dass die Tür eingeschlagen wird. Dann stürmt ihr rein. Vorsicht wird empfohlen. Es könnte sich um eine Geiselsituation handeln. Und es kann also wirklich angeraten sein, die Nationale Einsatztruppe hinzuzuziehen. Doch das wird dauern. Am besten wäre es natürlich, wenn ihr sie überrascht. Wir wissen, dass sie sich wahrscheinlich nicht freiwillig ergeben. Noch Fragen?«
»Nachbarn?« fragte Söderstedt.
»Das Hotel ist riesig und fast leer. Die nächsten Zimmer sind leer. Und tatsächliche Nachbarn sind ziemlich weit weg. Wir können nicht die gesamte Nachbarschaft evakuieren, ohne Aufsehen zu erregen. Wenn sie denn überhaupt da sind. Meiner Einschätzung nach können wir diese Sache durchführen, ohne andere als uns selbst in akute Gefahr zu bringen.«
»Und Eurydice«, sagte Söderstedt.
»Sie ist allerdings bereits in akuter Gefahr, wenn sie schon da sind. Also los.«
Sie gingen hinaus zu zwei Mietwagen und fuhren ruhig und ordentlich durch Skövde, bis die eigentliche Stadtbebauung abzunehmen begann. Dann waren sie da.
Es war zehn Uhr
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