Falsche Opfer: Kriminalroman
zwar gezeigt, dass die Hunde auf die Substanz nicht reagieren, doch wir müssen hundertprozentig sicher sein.«
»Und welche Flagge?«
Der Mann mit dem steinernen Gesicht lachte tatsächlich. Kurz. Es ging vorüber. Er sagte: »Die Substanz steckt in der Flagge, die beim Einzug vorangetragen wird. Der schwedischen. Es schien irgendwie am passendsten zu sein.«
»Da kann man wirklich von Läusen in der Fahne sprechen«, sagte Niklas Lindberg und lachte auf.
Der Mann gab ihm einen eisigen Blick, und er verstummte.
Dann reichte der Mann ihm einen Umschlag. Er öffnete ihn und holte einen Schlüssel, einen Zettel und eine kleine flache Dose mit einem roten Knopf heraus. Sie sah aus wie ein Minitaschenrechner. »Der Türschlüssel«, sagte der Mann. »Auf dem Zettel steht der neue Türcode. Sie haben ihn gestern geändert. Und mit dem Zünder kannst du ja umgehen. Warum hast du Nedic die Zunge weggesprengt?«
»Das war ein altes Versprechen«, sagte Niklas Lindberg, steckte die Sachen ein und öffnete die Wagentür.
Der Mann legte die Hand auf seinen Arm. »Noch eins«, sagte er. »Es besteht ein gewisses Risiko, dass die Eröffnungsfeier abgesagt wird. Wenn das geschieht, sehen wir uns nie wieder. Und ich meine wirklich nie wieder. Ist das klar?«
»Das ist in Ordnung«, sagte Niklas Lindberg mit Nachdruck. »Ich werde euch nicht enttäuschen. Ich bewundere euch seit Februar sechsundachtzig.«
»Da kannst du noch nicht sehr alt gewesen sein«, sagte der Mann und ließ ihn los.
Lindberg verwandelte sich in einen Schatten, der mit der Dunkelheit verschmolz.
Einen kurzen Augenblick erlaubte sich der Mann, an den Februar sechsundachtzig zurückzudenken. Es war wirklich der Bewunderung wert. Es war ihnen gelungen, ein Land zu verändern. Ein unsichtbarer Putsch.
Eine Bombe war in der schwedischen Fahne explodiert.
Es war wieder einmal Zeit.
Dann musste es genügen mit der Nostalgie. Der Mann mit dem steinernen Gesicht startete den Wagen und fuhr davon.
Weit weg.
47
E s wird nicht abgeblasen«, sagte Gunnar Nyberg und lehnte sich zurück.
Sie saßen im Schein von Petroleumlampen und Kerzen in der alten uppländischen Häuslerkate aus dem 19. Jahrhundert. Vor ihnen standen moderne Laptops, die über Mobiltelefone mit dem Internet und dem Zentralrechner der Polizei verbunden waren.
»Woher weißt du das?« fragte Ludvig Johnsson und strich sich über die Glatze.
»Internes Rundschreiben«, sagte Nyberg und zeigte auf den Bildschirm. »Der Reichspolizeichef, der Chef des Reichskrim, der Justizminister, der Premierminister, der Chef der Sicherheitspolizei und Mörner haben die halbe Nacht getagt. Es geht nicht. Der Prestigeverlust wäre zu groß. Und es hat internationalen Druck gegeben. Die Polizei weltweit würde der Lächerlichkeit preisgegeben. Wenn wir nicht einmal uns selbst schützen können, wie sollen wir dann andere schützen? Es besteht die Gefahr, dass das der Todesstoß für die Polizei wäre, so wie wir sie kennen.«
»Und was für ein Todesstoß wäre es, wenn es knallt?«
»Tja ... Die Argumentation ist einfach: Es darf nicht knallen. Es darf ganz einfach nicht knallen. Eine sehr praktisch fundierte Argumentation.«
Ludvig Johnsson saß ganz still. Er schloss die Augen. Er wusste nicht, ob er wirklich auch hierfür noch verantwortlich zu machen war. Es war ihm auch egal. Alles war sein Fehler, das fühlte er, und jetzt schien es, als sollte das Ganze vollständig eskalieren.
Er fasste einen Beschluss. »Noch ein Bier?« sagte er und stand auf. Der Jogginganzug klebte ihm am Körper.
»Warum nicht?« sagte Nyberg. »Wir kommen doch nicht weiter. Wir stecken fest. Verdammt, und ich dachte, wir würden irgendwo eine Öffnung finden, aber es geht nicht. Es geht ums Verrecken nicht.«
Johnsson kam zurück und stellte eine Bierdose vor ihn hin. Sie war geöffnet. Johnsson öffnete seine mit einem Zischen und trank ein paar große Schlucke. Nyberg trank die halbe Dose in einem Zug.
»Ludvig, verdammt«, sagte er. »Lindberg hat Nedic fertiggemacht. Nedic ist die Zunge weggesprengt worden. Gibt es da nirgendwo einen Ansatzpunkt?«
Ludvig Johnsson stand vollkommen reglos da. Er schaute in das große Nichts und schüttelte langsam den Kopf. »Es gibt keine Lösung«, sagte er.
»Wie viel Uhr ist es?« sagte Nyberg.
Johnsson nahm noch einen Schluck Bier und sah auf die Uhr.
»Gleich sechs. Sechs Uhr früh am Samstag, dem siebzehnten Juli. Noch neun Stunden bis zur Eröffnungsfeier.«
Ludvig
Weitere Kostenlose Bücher