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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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hinter allen Maskierungen stand immer eine Telefonnummer. Diese Telefonnummer mit Hilfe der E-Mail-Adresse zu finden war manchmal unmöglich – wenn die betreffende Person einigermaßen versiert im Umgang mit Daten war –, manchmal aber zwar kompliziert, aber dennoch möglich. Und selbst wenn es einem gelang, die Telefonnummer zu finden, war es noch lange nicht sicher, dass man dahinter eine existente Person entdeckte. Die meisten Pädophilen waren clever genug, nicht von ihrem Computer zu Hause, sondern von einem öffentlichen Computer mit Internetanschluss, Typ Kulturhaus oder Königliche Bibliothek, ihre E-Mail-Adresse zu besorgen. Dagegen war es etwas problematischer, die verbotenen Früchte im Kulturhaus oder in der Königlichen Bibliothek zu genießen. Zu den Bildern vergewaltigter Kleinkinder zu onanieren war in den Salons des Kulturhauses nicht richtig angebracht. Die übliche Vorgehensweise war die, dass man seine Mail auf einem öffentlichen Computer abholte, die Bilder auf einer Diskette speicherte und sie dann am eigenen Computer im trauten Heim genoss. Da war man abgesichert. Keine Spuren, außer den physischen. Zu dieser und jener Zeit wurde dieses und jenes Kinderpornomaterial von diesem und jenem Computer heruntergeladen. Es kam dann darauf an, eine existente Person mit diesem Zeitpunkt und diesem Computer zu verbinden, und das war nicht einfach. Am einfachsten war es also, die Trottel zu fangen, die ein einziges Mal ihrem Begehren erlaubten, die Oberhand zu gewinnen, und es riskierten, das Material über den Computer zu Hause herunterzuladen – und damit über die eigene Telefonnummer. In dem Augenblick war die Spur etabliert.
    Sara zählte bisher drei Trottel auf der letzten Liste. Das Aufspüren war ein komplizierter Prozess, der indessen eine Reihe mechanischer Momente beinhaltete, die sie im Schlaf hätte ausführen können. Wenn sie jemals schlief. Mittels eines komplexen Zusammenspiels zwischen dem Zentralrechner der Polizei, Interpol, Internet und Intranet hatte sie bisher, nach ungefähr einem Drittel der Liste, achtzehn Telefonnummern offengelegt. Acht waren schwedisch. Fünf gingen zu öffentlichen Institutionen. Die anderen gingen zu Privatpersonen in Boden, Lund und Boras.
    Sie bekam allmählich genug vom Cyberspace. Dann und wann sah sie das Spiegelbild des kurzgeschorenen kleinen Wesens auf dem Bildschirm. Inzwischen hielt sie es nicht mehr für einen kleinen Jungen. Sie war es selbst. Die echte Sara Svenhagen. So sah sie aus. Und sie war kein virtuelles Opfer von Kinderschändern, sondern eine reale Polizistin. Sie musste sich bald praktischer Polizeiarbeit widmen können. Also suchte sie fieberhaft nach einer Stockholmer Nummer auf der Adressenliste. Bisher war keine aufgetaucht, und danach suchte sie weiter. Um direkt zuschlagen zu können. Physisch.
    Um dem Mann real in die Augen sehen zu können.
    Und wieder nur das Übliche zu erkennen: dass der Pädophile sich nicht als böse sah. Im Gegenteil, er war gut, er nahm die angeborene Sexualität des Kindes ernst, während der Rest der Welt das Wesen des Kindes missverstand und es asexuell gemacht hatte. Der Pädophile machte dem Kind das wichtigste Geschenk seines Lebens: Es bekam die Sexualität zurück, deren es beraubt worden war.
    Sie hatte das alles schon gehört. Aber sie würde es niemals verstehen können.
    Sie fragte sich, ob die Liste ein so bedeutender Fang war, dass sie eine großangelegte internationale Aktion rechtfertigte.
    Mit anderen Worten: Würde sie gezwungen sein, vielleicht bis zu einem halben Jahr zu warten, um zuschlagen zu können, zusammen mit Amerikanern und Briten und Deutschen und Franzosen, von Belgiern ganz zu schweigen? Und was würde während dieses halben Jahres geschehen können?
    Es war eine Gewissensfrage, schon bevor sie in der Sinnenwelt auftauchte, ein klassisches moralisches Dilemma, wenn auch virtuell. Falls sich eine existierende Stockholmer Adresse offenbaren sollte, gegen die Sara Svenhagen auf der Stelle zuschlagen könnte – sollte sie es dann tun? Sie musste die Risiken und Chancen gegeneinander abwägen. Auf der Goldwaage. Das Risiko, dass der virtuelle Stockholmer Pädophile sich an weiteren Kindern vergriff, gegen das Risiko, dass er das übrige Netzwerk warnen und damit bedeutend mehr Kindern schaden würde. Die Chance, einen Mann mit weiteren Informationen über die Pädophilenszene zu fangen, gegen die Chance, ein ganzes Netzwerk zu fangen.
    Irgendwo im Verlauf dieses

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