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Falsche Opfer: Kriminalroman

Falsche Opfer: Kriminalroman

Titel: Falsche Opfer: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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nach Hause nahm.
    »Tja«, sagte er und schien zu kichern. »Verwaltungskram, kann man wohl sagen. Was hast du gefunden, Sara?«
    »Ein neues Netzwerk.«
    »Was? Ist es der Nässjö-Code? Der schien doch unknackbar zu sein.«
    »Der Nässjö-Code, ja. Ein Trottel in Stockholm. Fatburstrappan 18. Aber auch einige andere. Die Frage ist, ob wir ihn sofort aus dem Verkehr ziehen sollen oder ob wir auf den Rest warten und sie uns gleichzeitig vornehmen.«
    »Hast du internationale Nummern dabei?«
    »Hauptsächlich, ja. Aber auch Boden, Lund, Boris. Bisher. Es sind noch viele übrig.«
    »Wie viele Länder?«
    »Drei bisher. USA, Deutschland, Frankreich. Es wird Zeit kosten, das international zu koordinieren.«
    »Ja«, sagte Hellberg und schien nachzudenken. »Du willst ihnen also mit sofortiger Wirkung die Flügel stutzen, wenn ich dich recht verstehe? Damit sie nicht ihren Schatten über die Mittsommerblumen legen?«
    »Ja, das möchte ich«, gestand Sara Svenhagen, ohne Hellbergs Blumensprache richtig zu verstehen.
    »Ächz, Stöhn«, artikulierte Hellberg. »Wir haben keine Chance, Boden, Lund und Boras jetzt hops zu nehmen. Aber hier haben wir eine Chance, da bin ich deiner Meinung. Okay. Zwei Dinge. Zum ersten musst du genügend finden, um ihn festnehmen und dabehalten zu können. Er darf unter gar keinen Umständen Gelegenheit bekommen, mit jemandem Kontakt aufzunehmen, der das Netzwerk warnen kann. Keine Gespräche, kein Anwalt. Weise auf die neuen Regeln hin. Aber – wie gesagt – du musst in der Wohnung etwas finden.«
    »Willst du damit sagen, dass ich ...«
    »Nein, das tu ich nicht. Sieh nur zu, dass du etwas findest.«
    »Und zum zweiten?«
    »Dies hier bleibt unter uns. Ausschließlich.«
    »Was? Warum das?«
    »Das ist ein Befehl. Okay?«
    »Ich verstehe nicht...«
    »Okay?«
    »Okay.«
    »Zwei Streifenbeamte aus dem Viertel, um die Tür einzuschlagen. Halte die Information ihnen gegenüber auf Minimalniveau. Den Durchsuchungsbefehl besorge ich. Fahr direkt zur Södra Station und nimm dir ein paar Assistenten mit. Ruf nicht vorher an.«
    »Ich versteh nicht ganz, glaube ich...«
    »Du verstehst genau das, was du verstehen sollst. Okay?«
    »Okay«, sagte Sara Svenhagen verwirrt und legte auf.
    Sie betrachtete den Hörer.
    Hatte sie wirklich grünes Licht bekommen?

17

    G ewisse Spuren waren noch nicht beseitigt. Der eine oder andere Ordner mit Rechnungen, Auftragsbestätigungen und Bestellformularen stand noch da und sah verloren aus. Poster oder auch nur abgerissene Ecken von Postern, komplett mit Heftzwecken, hingen noch an den Wänden. Sie waren fast ausschließlich von der eskapistischen Sorte. Visionen von Paradiesinseln, märchenhafte Szenerien aus der unberührten schwedischen Natur, unerreichbare Schärenidylle, kilometerlange türkische Sandstrände mit Strandbars an jeder Ecke.
    Das Verwaltungspersonal hatte seine Räume in aller Eile der A-Gruppe wieder zur Verfügung stellen müssen, und deren Mitglieder saßen an ihren Plätzen in ihren alten Zimmern, ohne sie richtig wiederzuerkennen. Paul Hjelm zog eine gewagte und nicht ganz vorurteilsfreie Schlussfolgerung: Verwaltungsarbeit erforderte eine hohe Dosis Eskapismus.
    Das tat wohl an und für sich Polizeiarbeit auch, allerdings aus ganz anderen Gründen. Er wusste nicht richtig, ob das, womit er selbst zur Zeit seine Freizeit ausfüllte, als Eskapismus bezeichnet werden konnte. Er las, hörte Jazz und ›spielte Klavier‹; er achtete immer darauf, letzteres in Anführungszeichen zu setzen. Er hatte nämlich ein altes Versprechen eingelöst und ein Klavier angeschafft. Er passte immer auf, dass das Haus – und am besten gleich das ganze Viertel – gründlich verlassen war, bevor er in die Tasten griff. Aber dann nahm er sich gern Freiheiten, experimentierte mit gewagten Harmonien, erprobte Grenzen, imitierte, spielte einfache Begleitungen und ertappte sich sogar dabei, dass er mitsummte, ungefähr wie Glenn Gould. Denn singen, nein, soweit ging Paul Hjelm nie. Er verstand nicht ganz, warum, aber er konnte sich nicht überwinden zu singen. Da verlief seine Grenze.
    Was sein Lesen anging, benutzte er allerdings keine Anführungszeichen. Er wagte ohne Umschweife zu erklären, dass er das tat. Er las. Und er versuchte wirklich, sich von Schwierigkeiten nicht abschrecken zu lassen, nicht aufzugeben, wo er instinktiv das Gefühl hatte, aufhören zu wollen, sondern weiterzugehen, auch auf unbekanntem Territorium. Vielleicht war das Lesen

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