Falsche Opfer: Kriminalroman
großen Waffenarsenal in Boden, wo vor etwa einem Jahr ein Einbruch stattfand, der sich gewaschen hatte. Dreiundzwanzig Maschinenpistolen verschwanden, und Munition kistenweise. Eine Freude fürs Auge.«
»Boden«, nickte Hjelm. »Ich nehme an, dass Niklas Lindberg dort zu irgendeinem Zeitpunkt seiner militärischen Karriere stationiert war.«
»Tatsächlich nicht nur er, sondern auch Bergwall. Bergwall leistete seine Wehrpflicht dort ab. Lindberg war Kadett. Wenn es so heißt.«
»Frag mich nicht. Mehr mehr mehr.«
»Tja«, seufzte Chavez schwer. »Ich nehme mir die Nazi-Organisationen vor. Mit Gunnar Nyberg als backup, wenn mit ihm alles klargeht. Irgendwo ist diese Operation bekannt, und irgendwo weiß jemand, was als nächstes passiert. Ich glaube nicht, dass dies das Ende ist. Sie haben den Koffer, sie haben das Geld – oder die Drogen, falls es Drogen sind –, aber sie wollen auch was ganz Spezielles damit machen, darauf möchte ich wetten. Dann wird es also wohl folgendermaßen: Gunnar und ich verfolgen die Nazischiene, Arto und Viggo übernehmen Kumla, du und Kerstin, ihr nehmt euch den ›Polizisten‹ vor. Ich glaube kaum, dass es was bringt, direkt an Nedic ranzugehen. Das hat noch nie was gebracht. Außerdem ist es nicht Nedic, der hinter der Sicklaschlacht steckt. Das sind Niklas Lindberg und seine Bande. Auf die müssen wir uns konzentrieren.«
»Klasse«, platzte Hjelm heraus. »Dann hast du ja alles im Griff. Herr Kommissar. Fehlt nur noch eins. Ein Pensionär mit Namen Jan-Olov Hultin.«
»Jaja. Der bekommt eine Therapiearbeit. Körbe flechten, vielleicht.«
18
J an-Olov Hultin flocht keine Körbe. Er ging direkt auf Nedic los.
Warum nicht? Dachte er, als er den gerade erst ausgehändigten Dienstvolvo im Granitväg parkte und die letzten Meter durch die luxuriösesten Teile des mittsommernachmittagleeren Danderyds spazierte. Das Wetter war unentschlossen. Gerade hatten die bedrohlichen Regenwolken beschlossen, Leine Pause zu machen, glitten auseinander und machten einer verwirrten Sonne Platz, die nicht zu wissen schien, wohin mit ihren Strahlen. Sie fielen ein wenig willkürlich über die Bucht Edsviken, die sporadisch glitzerte, mal hier, mal da, und das wunderliche, unentschiedene Glitzern hatte eine hypnotische Wirkung auf den Pensionär a.D. Einen Augenblick lang meinte er, wieder auf der anderen Seite von Edsviken zu sein, und dass es Rävalen war, der glitzerte. Er hatte gerade aufs neue eine Niederlage erlitten bei dem Versuch, Kraut und Unkraut zu unterscheiden, hatte mit dem Rasenmäher den üblichen Bogen um die unschuldige Pflanze gemacht und schob ihn den Hang hinauf. Kein Saab mit Luxusausstattung knirschte auf seinem Kiesweg. Kein Mann mit dem Aussehen eines schwerkriminellen Immobilienmaklers kam ihm entgegen. Das Leben ging seinen geruhsamen Gang. Eine ständige Sisyphusarbeit.
Es ging vorüber.
Nicht jeder konnte sich Pensionär a.D. titulieren. Es musste, kam ihm in den Sinn, einer der ungewöhnlichsten Titel des Landes sein. Und er wollte diesem Titel Ehre machen.
Warum nicht? Dachte er, doch nicht ganz so leichtsinnig, wie es den Anschein haben kann. Die A-Gruppe hatte die Frage Rajko Nedic ausdrücklich offengelassen. Sollte man ihn in Unwissenheit darüber lassen, dass die Polizei von seiner Beteiligung an der Sicklaschlacht wusste? In welcher Weise würde das die Lage verbessern? War es wirklich nicht richtiger, dafür zu sorgen, dass er auf dem Teppich blieb und nicht eine noch schlimmere Sicklaschlacht anzettelte? War es nicht besser, ihm zu zeigen, dass man Bescheid wusste, damit er nicht glaubte, frei agieren zu können? Nun war aber Rajko Nedic kein Mann, der agierte, ohne den Rücken vollständig frei zu haben; er würde kaum ein enormes Massaker veranstalten und eine Menge Spuren hinterlassen, eher würde er den Koffer mit Hilfe von Drohungen und professioneller Aufklärungsarbeit wieder an sich bringen. Dennoch spürte Hultin – und wieder war es eher eine Art innewohnendes Gefühl als argumentierbare Vernunft, die sein Handeln bestimmte –, dass es gut war, Nedic ein wenig unter Druck zu setzen, einen persönlichen Kontakt herzustellen, Präsenz zu zeigen und ein persönliches Interesse am Geschehen an den Tag zu legen. Und schließlich war er derjenige, der bestimmte. Mit diesem unbestreitbaren Argument auf den Lippen trat er an ein verschlossenes massives Eisentor in einer langen Ziegelsteinmauer. Eine Überwachungskamera zoomte ihn ein, und noch
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