Falsches Blut
Meine Schwester wird dir das hoch anrechnen. Übrigens, glaubst du, an der Sache ist etwas dran? «
Wieder gab Olivia ein Grunzen von sich.
» Ich bin noch nicht mal sicher, ob wir es überhaupt mit einem Tötungsdelikt zu tun haben, aber ich halte dich auf dem Laufenden. «
» Das wäre nett « , sagte ich. » Jugendliche sterben nicht einfach so, ohne Grund. Ich will herausfinden, was passiert ist. «
» Da bist du nicht allein « , bekräftigte Olivia und trug mir auf, Rana und Nassir auszurichten, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun werde, um den Fall aufzuklären. Ich versprach es.
Den Rest des Tages verbrachten Hannah, Megan und ich bei meiner Schwester und ihrem Mann. Nahezu jede Familie aus unserer Gemeinde kam zum Kondolieren vorbei. Es war ein langer Tag, aber wie Olivia versprochen hatte, gab der amtliche Leichenbeschauer Rachels Leichnam um vierzehn Uhr frei. Zwei Stunden später war sie für das Begräbnis vorbereitet, und gegen fünf war die Zeremonie vorüber. Ich fuhr Hannah schweigend nach Hause.
Am nächsten Tag, einem Sonntag, erschien ich pünktlich wieder zum Dienst. Als Detective für die Staatsanwaltschaft zu arbeiten, ist ungefähr so spannend und abwechslungsreich wie die Live-Übertragung einer Parlamentsdebatte im Fernsehen. Und dieser Tag bildete keine Ausnahme: Meine Vorgesetzte wollte, dass ich bei ein paar Crackheads Babysitter spielte, die am Montagmorgen im Prozess gegen ihren Dealer aussagen würden. Ich sollte dafür sorgen, dass sie sauber blieben und nicht vor dem Gerichtstermin noch ins Gefängnis wanderten. Leider bedeutete das für mich, acht Stunden lang in einer billigen Absteige am Flughafen festzusitzen und mit ihnen Zeichentrickfilme im Fernsehen ansehen zu müssen. Als meine Schicht zu Ende war, hatte sich mein Gehirn in Matsch verwandelt.
Auf dem Heimweg machte ich in einer Bar Halt und trank ein Bier, das ich mit einem Bourbon hinunterspülte. Hätte Hannah mich nicht zum Abendessen erwartet, wäre es wohl nicht bei diesem einen Drink geblieben. Gerade als ich ausgetrunken hatte, rief Olivia an.
» Ash « , sagte sie und horchte auf. » Bist du etwa in einer Bar? «
Ein Mann beugte sich neben mir über den Tresen und bestellte bellend ein Budweiser.
» Ja « , antwortete ich und räusperte mich. » Ich bin in einer Bar. «
Olivia schwieg.
» Ich wusste gar nicht, dass Muslime Alkohol trinken dürfen. «
» Wenn Gott nicht wollte, dass ich Alkohol trinke, dann würde er nicht zulassen, dass unschuldige Kinder sterben « , gab ich zurück und legte einen Zehner auf die Theke. Der Barkeeper nickte. Ich schob mich durch die Menge. Im Prinzip hatte Olivia natürlich Recht– Alkohol ist in unserer Religion streng verboten, es sei denn, er wird als Medizin getrunken. Und genau das war der Punkt: Da es sich bei meinem kleinen Ausflug in die Bar um eine Art Selbstmedikation handelte, war das Trinken in meinen Augen gerechtfertigt. Vor der Tür standen zwei Männer mit Zigaretten. Zur Sicherheit stieg ich in meinen Wagen, bevor ich weiterredete. » Was gibt es Neues? «
» Ich wollte dich nur auf den neuesten Stand bringen « , sagte Olivia. » Die Ergebnisse der Autopsie liegen mir zwar noch nicht vor, aber wir gehen davon aus, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt. Ich werde morgen einige von Rachels Freunden an der Schule befragen– da hätte ich dich gern dabei. Vermutlich werden sie mit dir eher reden als mit mir. «
» Weil ich ein Mann bin? « , fragte ich verwirrt.
» Weil du Muslim bist « , erklärte sie. » Wie vermutlich der Großteil ihrer Freunde. «
» Darüber würde ich mir keine allzu großen Gedanken machen. Mit Rachels Frömmigkeit war es ungefähr so weit her wie mit meiner, und ich bin gerade in einer Bar. Ich bezweifle, dass sie viele muslimische Freunde hatte, aber wenn du trotzdem Begleitung haben willst, halte ich mir den Vormittag frei. «
Olivia schwieg einen Moment. Offensichtlich überdachte sie ihren Vorschlag noch einmal. » Ja, will ich « , sagte sie schließlich. » Was hältst du davon, wenn ich dich um neun abhole? «
» Gut. Um eins habe ich Vorlesung, aber bis dahin sollten wir fertig sein. «
Wir legten auf, und ich machte mich auf den Nachhauseweg. Normalerweise gibt Hannah mir einen Kuss, sobald ich zur Tür hereinkomme, aber diesmal wich ich ihr aus. Unter dem Vorwand, dass in meinem Mittagessen Zwiebeln gewesen seien, ging ich direkt ins Badezimmer, um mir mit Mundwasser den Mund auszuspülen. Von dort
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