Falsches Blut
Projekt Coast « Karen zwar nicht ins Gefängnis bringen– dass sie sich damit allerdings Freunde gemacht hatte, war ausgeschlossen. Inzwischen war das Projekt längst vom Tisch, aber in den Achtzigern und Neunzigern war es die Antwort des noch unter dem Einfluss der Apartheid stehenden Südafrika auf die wachsende sowjetische Präsenz in Afrika gewesen. Die Führungsriege des Landes hatte weder der atomaren Technologie noch den konventionellen Waffen der Ud SSR etwas entgegenzusetzen gehabt, deshalb war klammheimlich ein Verteidigungsprogramm mit chemischen und biologischen Waffen auf die Beine gestellt worden. Der Artikel besagte, das Land sei im Besitz von Ebola-, Rifftal- und Marburg-Viren. Nach den Schilderungen zu schließen, ist die Beulenpest im Vergleich dazu der reinste Kindergeburtstag.
Doch im Mittelpunkt des Projekts stand nicht nur das Ziel, sich gegen die Ud SSR zu verteidigen; vielmehr erstreckte es sich auch auf innenpolitische Anliegen. Der Artikel gab zwar nur wenige Details preis, doch allem Anschein nach hatte die Regierung ein Projekt zur Entwicklung eines Sterilitäts-Virus in Auftrag gegeben, das lediglich die Ureinwohner des Landes befallen und sie langsam, aber gezielt ausrotten würde. Es war ein abscheuliches Vorhaben, und hätte sich der Artikel nicht auf ein Memo der leitenden Wissenschaftlerin namens K.R. berufen, hätte ich seinen Inhalt für die abstrusen Fantasien rassistischer Fanatiker gehalten. Aber so… Ich hielt inne. Das würde natürlich erklären, weshalb man Karen Rea nach ihrer Rückkehr in die USA nicht länger auf Studenten losgelassen hatte.
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Vielleicht war ich ja paranoid, aber ich blätterte durch meine Unterlagen bis zu einer Seite, die ich einige Tage zuvor ausgedruckt hatte. Karen behauptete, Rachel und Robbie seien von– wie sie sie bezeichnete– Schlächtern getötet worden, und Azrael schrieb, er hätte bereits einen Racheplan ersonnen. Als ich den Eintrag das erste Mal gelesen hatte, war er mir zwar seltsam, aber nicht weiter bedrohlich vorgekommen, doch nun lagen die Dinge ein wenig anders. Ich musste herausfinden, wozu diese Frau fähig war. Zum Glück gab es jemanden, der mir möglicherweise dabei helfen konnte. Aber bevor ich ihn anrief, musste ich ihm einen Gefallen tun.
Ich rief mein Mailprogramm auf und verfasste ein Standardkündigungsschreiben an Jack Whittlers Büro, unter das ich noch zwei kurze Absätze setzte.
PS . Dr. Mack Monroe bittet höflich um die Begleichung seiner jüngsten Rechnung; als Kostenstelle gibt er Ihre Abteilung an. Darüber hinaus bittet er darum, sämtliche offenen Strafzettel des auf ihn zugelassenen Mercedes zu löschen.
PPS . War nett, Sie beim Pokern getroffen zu haben.
Jack stand in einigen Monaten ein schwieriger Kampf um seine Wiederwahl als Oberster Staatsanwalt bevor, darüber hinaus würde er sich bei den innerparteilichen Vorwahlen gegen einen Herausforderer durchsetzen müssen. Jegliche Andeutung darüber, dass er womöglich mit einem der bedeutendsten Gangsterbosse der Gegend verbandelt sein könnte, würde seine Wahlkampagne schneller in Grund und Boden stampfen als anzügliche Fotos (wie er vom Bauch einer toten Nutte Koks schnupft zum Beispiel). Wenn Whittler an der Fortsetzung seiner politischen Karriere interessiert war, würde er dafür sorgen, dass Macks Rechnung schleunigst bezahlt und sämtliche Strafzettel seiner Freundin im Handumdrehen aus dem Register gelöscht würden. Hoffentlich genügte mein dezenter Hinweis.
Als Nächstes wählte ich Macks Handynummer, wurde aber direkt auf die Voicemail umgeleitet. Ich hinterließ ihm die Nachricht, dass ich mich um seine Strafzettel gekümmert hätte, und bat ihn um einen zeitnahen Rückruf.
Während ich wartete, verstaute ich meine Waffe in der Werkbank in der Garage. Viele Mörder können überhaupt nur verurteilt werden, weil sie zu geizig sind, ihre Waffe nach der Tat zu entsorgen, was die ballistische Zuordnung zum reinsten Kinderspiel macht. In gewisser Weise kann ich das sogar nachvollziehen, immerhin ist eine anständige Waffe ein ziemlich teurer Spaß. Meine Glock kostete schlappe fünfhundert Mäuse, und ich würde mich ebenfalls nicht von ihr trennen wollen, überlegte ich dabei. Doch im Gegensatz zum Durchschnittsbürger wusste ich, wie ein modernes Kriminallabor arbeitete, und auch wenn ich kein Waffenschmied sein mochte, konnte ich zumindest Lauf und Schlagbolzen austauschen. Damit konnte ich den
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