Falsches Blut
definitiv nicht verdient, so gequält zu werden. Vielleicht war die Idee, Bukoholow dabei zu helfen, seine Konkurrenten auszuschalten, ja doch nicht so übel.
Ich schaltete den Fernseher aus und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. Ich musste Olivia erzählen, was ich bei Sunshine gefunden hatte, auch wenn es ihr nicht gefallen würde. Immerhin legte sie jeden Tag ihr Leben in die Hände ihrer Kollegen, wenn sie den Dienst antrat. Wenn einer von ihnen Informationen über mich an irgendwelche Drogendealer verkaufte, würde er oder sie dasselbe ohne mit der Wimper zu zucken auch mit ihr tun. Ich konnte nur hoffen, dass sie mich wenigstens ausreden ließ, bevor sie mir einen Streifenwagen auf den Hals hetzte.
Ich nippte an meinem Kaffee und wählte ihre Büronummer. Nach dem zweiten Läuten hob sie ab.
» Olivia, hier ist Ash. Wir müssen dringend reden. «
» Das glaube ich auch, aber nicht jetzt. «
» Ich brauche nur eine Minute. Du musst mir zuhören. Jemand aus deinem Dezernat… «
» Hör auf « , unterbrach sie mich harsch. » Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Wenn du über Geschäftliches reden willst, treffen wir uns in einer halben Stunde im Park. «
» Ist das dein Ernst? In dem Park? «
» Natürlich ist es mein Ernst. Ich liebe den Park. Wenn du mir etwas zu sagen hast, treffen wir uns dort. «
» Geht es auch in einer Stunde? «
Olivia stimmte zu und legte auf. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Zähne. In Indianapolis gibt es eine ganze Reihe von Parks, aber nur ein einziger hatte eine besondere Bedeutung für sie und mich. Unser Park war ein kleiner Streifen aus Rasen und Erdreich am nördlichen Stadtrand. Vor ein paar Jahren hatten wir dort in einem Mordfall ermittelt, der uns beiden mächtig an die Nieren gegangen war. Die Opfer waren vier Jungs im Teenageralter gewesen, allesamt kastriert und mit mehreren Schussverletzungen. Keiner von ihnen war als vermisst gemeldet worden und hatte identifiziert werden können, so dass sie als unbekannte Opfer begraben worden waren. Soweit ich wusste, war der Fall noch immer nicht abgeschlossen. Olivia musste einen verdammt guten Grund dafür haben, wenn sie sich ausgerechnet dort mit mir treffen wollte. Ich trank einen großen Schluck Kaffee und dachte über meine Lage nach: Bereits jetzt steckte ich knietief in der Scheiße, und meine Expartnerin hatte mich gerade gebeten, in den Abwasserkanal zu steigen.
Ich duschte und putzte mir die Zähne. Obwohl ich seit Jahren keinen Fuß mehr in den Park gesetzt hatte, war er nicht schwer zu finden. Ich fuhr einfach in den heruntergekommensten Teil der Stadt und folgte von dort aus den Sirenen. Nach etwa zwanzig Minuten fielen mir die Schilder vor den Kneipen ins Auge, auf denen die Gäste aufgefordert wurden, ihre Gang-Insignien gefälligst vor der Tür zu lassen– ein klarer Hinweis, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand. Nach ein paar Minuten bog ich an einem Waffengeschäft mit dem wohlklingenden Namen Three Little Pigs Ammo & Supply nach links ab. Olivias Wagen stand etwa einen halben Häuserblock entfernt am Straßenrand.
Ich parkte direkt hinter ihr und stieg aus. Ein bestialischer Gestank schlug mir entgegen; höchstwahrscheinlich drang er aus dem offenen Kanalisationsschacht wenige Meter vor mir auf dem Bürgersteig. In den meisten Teilen der Stadt wäre dies ein Zeichen dafür, dass dort unten gerade jemand arbeitete, hier jedoch bedeutete es wohl, dass irgendein Penner den Deckel geklaut und für ein paar Kröten verhökert hatte– Geschäftssinn hatten die Typen hier, und zwar einen ganz beträchtlichen.
Ich sah mich flüchtig um. Die Polizei zeigte sich nur selten in der Gegend, und falls doch, dann nur mit entsprechender Verstärkung. Unweigerlich stellten sich mir alle Nackenhärchen auf. Das Traurige an diesem Viertel war, dass die Mehrzahl seiner Einwohner anständige Leute waren. Sie gingen einer geregelten Arbeit nach und zogen ihre Kinder groß, so gut es eben ging, aber durch eine Verkettung unglücklicher Umstände waren sie in einer von Drogen und Gangs verseuchten Gegend gelandet. Es war Pech, aber leider konnte keiner etwas daran ändern.
Aus dem Augenwinkel registrierte ich eine Bewegung neben mir. Reflexartig wanderte meine Hand zu meiner Dienstwaffe. Ein stämmiger Weißer trat aus dem Gebüsch auf den Gehsteig und zog sich die Hose hoch. Beim Anblick meiner Waffe hob er erschrocken die Hände und blieb abrupt stehen. Eine Frau folgte ihm. Ihre Netzstrumpfhose
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