Falsches Spiel: Roman (German Edition)
ich, wie er sich, nass glänzend, in der Luft drehte. Farben und Weiß vermischten sich, wie es sich für einen gut getretenen Ball gehört. Eine Ewigkeit rotierte er so, bis er dann in einer Sekunde, die das Schicksal bestimmte, unser Netz ausbeulte. Ein kleiner Teil des Stadions explodierte. Der andere Teil verharrte stumm im Regen, der weiterhin auf die wie eingefroren dastehenden Fans fiel. Bald würde sich eine dünne Eisschicht auf ihnen bilden.
Ein paar Minuten später verkündete ein Pfiff das Ende der Halbzeit.
Nun drängen die Spieler in den Gang, in dem ihre Stollen wie die Kastagnetten von Flamencosängern klappern. Der Rhythmus ist allerdings langsam, niedergeschlagen, spannungslos. Hier hat keiner Lust zu tanzen. Und doch ist mir durchaus bewusst, dass einige die Niedergeschlagenheit nur vortäuschen, weil das Spiel genauso läuft wie geplant. Schweigend begeben sie sich in die Kabine, wo Andrea Plastikbecher mit heißem Tee verteilt.
Gentile kommt genau in dem Moment, als Osvaldo Pizzoli explodiert und seiner Wut stellvertretend für die meisten Anwesenden Luft macht. Er zieht das triefnasse und mit Schlamm und Grasflecken verschmierte Trikot aus und knallt es gegen den Spind. Das High-Tech-Gewebe fällt herunter wie ein nasser Lappen.
»Was ist das denn für eine Scheiße? Wo ist der Mister? Warum haben Roberto und Bernini nicht gespielt?«
Gentile fühlt sich automatisch in der Pflicht, als er das Wort ›Mister‹ hört. Allerdings ist eine gewisse Unsicherheit in seiner Stimme nicht zu überhören.
»Ich weiß nicht, wo Di Risio ist. Ich weiß nicht einmal, warum er nicht auf dem Spielfeld war. Wir stehen aber telefonisch in Kontakt, und ich kann euch garantieren, dass er es ist, der die Entscheidungen trifft.«
Roberto erhebt sich und gesellt sich zum Zeichen der Solidarität zu Pizzoli.
»Ich will jetzt jedenfalls spielen. Wir müssen die Partie gewinnen.«
Bernini tritt ebenfalls zu ihnen.
»Ich will auch spielen.«
Dann wendet er sich an Della Favera, den Torhüter, der das Tor kassiert hat, den aber keine Schuld trifft, weil sämtliche Schuld ich trage.
»Nichts für ungut, Piero, aber den Ball hätte selbst ein Einarmiger gehalten.«
Der zweite Torwart springt auf und kann nur mühsam von Carbone zurückgehalten werden. Im selben Moment bricht ein einziges Durcheinander aus. Kommentare fliegen durch die Luft, Sätze, die sofort von anderen Sätzen unterbrochen werden, Meinungen, die sofort von anderen Meinungen übertrumpft werden, Gesten voller Wut und Frustration.
Dazu ein unentwegtes ›Leck mich am Arsch‹.
»Jungs, was ist denn hier los?«
Laut und deutlich kommt die Stimme von der Tür. Alle verstummen und drehen sich in die Richtung. Im Rahmen steht Martinazzoli, ein paar Regentropfen auf der Jacke, aber die Haare wie immer perfekt frisiert.
Pizzoli ergreift in seiner Eigenschaft als Kapitän das Wort und verleiht dem allgemeinen Unmut Ausdruck.
»Wir verstehen überhaupt nichts mehr, Herr Präsident. Hier herrscht das reinste Chaos. Wieso sollen wir das Spiel verlieren?«
Mit seiner ruhigen, gewinnenden Art tritt Martinazzoli in den Raum. Er spricht in diesem Tonfall, der die Macht hat, seinem Gegenüber direkt ins Hirn zu dringen.
»Die Situation ist unter Kontrolle, Jungs. Wir stehen in Kontakt mit dem Mister, der weiterhin mein volles Vertrauen genießt. Er hat uns dahin geführt, wo wir heute stehen, und ich neige nicht zu der Annahme, dass er plötzlich verrückt geworden ist. Beruhigt euch erst einmal, entspannt euch und zieht trockene Klamotten an. Dann kehren wir guten Muts aufs Spielfeld zurück. Es bleiben uns noch fünfundvierzig Minuten. Wir können diese verdammte Partie immer noch für uns entscheiden.«
Ich habe mir die Ansprache vom Flur aus angehört. Die Ansprache eines Mannes, der die ruhige Gewissheit verspürt, dass er sein Ziel erreichen wird. Schlagartig packt mich eine Ahnung, schrecklich und glasklar. Es ist ein absurder Gedanke, der mich aber mit einer solchen Macht ereilt, dass ich mich gegen die Wand lehnen muss. So schwer, wie ich mich fühle, kann ich nur hoffen, dass sie meinem Gewicht standhält. Schließlich ziehe ich mich in die Toiletten zurück und hole das Handy heraus, das mich in den letzten Stunden in eine andere Haut hat schlüpfen lassen.
Ich klappe es auf, suche eine Nummer und schreibe.
Ich weiß alles. Sag Masoero und den anderen, dass die Sache geplatzt ist. Sag ihnen, sie sollen diese verfluchte Partie gewinnen und
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