Falsches Spiel
erfassten jeden noch so kleinen Laut. Hundegebell, eine Grille und in der Ferne Musik, die aus einem Fernseher zu kommen schien. Auf leisen Sohlen schlich ich durch die Dunkelheit. Ein eisiger Wind schlug mir ins Gesicht.
Ich erreichte die Calle de la Cueca und blieb unter einem Baum stehen. Mit der Taschenlampe leuchtete ich auf meine Armbanduhr. Es war fünf vor eins. Ich spitzte die Ohren; ich wollte wissen, woher die Musik kam, die man jetzt deutlicher vernahm. Sie kam eindeutig von rechts.
Ich trat auf einen Zaun zu und nahm das Grundstück in Augenschein. Etwa dreißig Meter Garten mit Bäumen und Büschen; dahinter ein Landhaus mit großen Fenstern. Im Flimmerlicht des Bildschirms war die Gestalt eines Mannes zu erkennen. Ich warf einen Stein in den Garten um zu überprüfen, ob es einen Hund gab, aber so unglücklich, dass er auf einem Blech aufschlug und einen Heidenlärm machte. Der Mann vor dem Fernseher fuhr auf und schaute direkt in meine Richtung. Ich duckte mich und verharrte im Schutz der Dunkelheit hinter dem Zaun. Ich sah, wie der Mann zum Fenster stürzte und in die Dunkelheit spähte. Irgendwann verschwand er aus meinem Blickfeld.
Ich nutzte diese Sekunden, um über den Zaun zu springen und zu einem Busch zu rennen, der genau in der entgegengesetzten Richtung von der Stelle lag, an der der Stein eingeschlagen war. Von dort hatte ich einen besseren Blick auf das Fenster, das nur etwa fünf Meter entfernt war. Als der Mann wieder auftauchte, erkannte ich ihn sofort: Mein Freund, der Schlächter, spazierte mit einem Revolver in der Linken und einem Messer in der Rechten durch den Raum. Mir stockte der Atem, und ich drückte mich flach auf den Boden. Von dort aus sah ich mich um, entdeckte ein etwa fünfzig Zentimeter langes Metallrohr, streckte den Arm danach aus und bekam es zu fassen. Außerdem holte ich die 38er aus dem Halfter.
Der Schlächter kam aus dem Haus und versteckte sich hinter einem Baum. Da verlor ich ihn aus den Augen. Ich schaute abwechselnd von Haus zu Baum, aber ich konnte ihn nicht entdecken. Ich hatte zwei Probleme: Ich wusste nicht, wo er war, und ich konnte auch nicht sicher sein, dass er allein war. Mühsam versuchte ich, die Fassung zu bewahren, aber Angst und Kälte nahmen mir den Atem. Ich sehnte mich nach meiner Whiskyflasche.
Zwei Minuten blieb alles ruhig. Im Hintergrund hörte man das Raunen eines Films aus dem Fernsehapparat. Das Knacken eines trockenen Astes hinter mir ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich drückte mich noch dichter an den Boden, umklammerte das Metallrohr, legte mit der anderen Hand den Finger auf den Abzug und hielt den Atem an. Hinter mir bewegte sich ein Schatten, und ich fuhr herum und schlug blind in die Luft. Ich traf meinen Angreifer am Arm, das Messer fiel herunter. Instinktiv gab ich zwei Schüsse ab, und der Mann hielt sich den Bauch und ging ohne einen Schmerzensschrei zu Boden.
Ich wollte mich zur Seite wegrollen, doch meine Wange stieß an etwas Scharfkantiges: Das Messer war fünf Zentimeter neben meinem Gesicht in den Boden eingeschlagen. Der warme, schwere Körper fiel direkt auf mich drauf. Ich stieß ihn weg, stand so schnell wie möglich auf und rannte hinter den nächsten Baum. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment würde meine Brust explodieren. Ich sah mich um, zielte in alle Richtungen. Nichts rührte sich. Dann fiel mein Blick auf den Körper zwei Meter vor mir.
Langsam normalisierte sich mein Atem wieder. Ich dachte, dass man die Schüsse bestimmt bis Buenos Aires gehört hatte, und dass ich schnell handeln musste. Erstmal musste ich den Fernseher ausmachen, damit die Polizei nicht gleich herausfand, wo die Schüsse hergekommen waren.
Geduckt rannte ich zum Haus und riss den Stecker aus der Dose. Dann kehrte ich in den Garten zu dem Schlächter zurück und fasste ihm an den Hals; er war mausetot. Ich packte ihn an den Füßen und zerrte ihn hinter einen Busch. Da hörte ich auch schon den ersten Pfiff der Polizei. Sie suchten die Gegend mit hellen Taschenlampen ab. Ich warf mich auf den Boden.
Zwei Polizisten blieben vor dem Zaun stehen, riefen etwas, das sich anhörte wie ein Name, und richteten die Lampen auf das Haus. Der Lichtkegel fuhr über meinen Kopf hinweg. Ich hatte das Gefühl, die Stille würde mich verraten, aber was konnte ich tun? Sie flüsterten und schlossen sich dann drei weiteren Polizisten an, die hektisch mit ihren Taschenlampen die anderen Häuser absuchten. Als sie endlich verschwunden
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