Falsches Spiel
Castelar fahren und niemanden mitnehmen.« Er legte es wirklich auf einen Konflikt an.
»Wenn Sie keine Probleme haben wollen, sollten Sie das tun.«
Zum ersten Mal lächelte er. Er fühlte sich jetzt sicherer.
»Sie möchten doch bestimmt nicht, dass jemand erfährt, dass Sie mit diesem Bus gefahren sind, oder?«
»Das ist Teil der Abmachung.«
»Ja, aber wenn ich nicht anhalte, wird irgendjemand bei den Verkehrsbetrieben anrufen und sich beschweren. Lassen Sie ein paar Leute einsteigen, damit keine unangenehmen Fragen aufkommen.«
Das hörte sich durchaus logisch an, aber die Vorstellung, dass irgendein Fahrgast mich verpfeifen könnte, gefiel mir überhaupt nicht.
»Ich werde Sie nicht anzeigen. Ich will am Leben bleiben, und die Kohle kann ich gut gebrauchen«, sagte er, als könnte er Gedanken lesen. »Und wenn ich bis Castelar an allen Haltestellen vorbeifahre, kann ich mir das abschminken.«
»Gut, aber keine Tricks, das ist kein Spiel.« Ich zeigte ihm noch mal die 38er.
»Ich werde mir das Geld verdienen«, sagte er, um mich und vor allem sich selbst zu überzeugen.
Eine halbe Stunde später stieg ich mit Carla am Bahnhof von Castelar aus. Ein einziger Fahrgast war auf der Höhe der Gaona zugestiegen und hatte den Bus vor dem Bahnhof schon wieder verlassen. Anfänglich hatte er ein paar Mal zu uns herübergeschaut, uns dann aber nicht weiter beachtet. Der Fahrer hatte seinen Job gut gemacht.
»Das hier ist nie passiert«, sagte ich und betonte jedes Wort.
»Das will ich hoffen«, erwiderte er und fasste an die Hemdtasche mit dem Zehntausend-Peso-Schein.
Um ihn endgültig zu überzeugen, flüsterte ich ihm ins Ohr:
»Wenn du auch nur ein Wort sagst, werde ich dich finden, ganz gleich, wo du bist.«
»Keine Aufregung«, erwiderte er und sah mir dabei in die Augen. »Du bist nie mit diesem Bus gefahren.«
Ein kurzer Blick auf die Uhr: Viertel nach vier. Ich trug Carla zu einer Bank im Bahnhof in der Nähe des Ticketschalters und setzte sie ab. Sie war immer noch bewusstlos. Ich löste zwei Tickets zum Bahnhof Once und wartete neben ihr auf den Zug.
Die Kälte ging mir durch Mark und Bein. Das Jackett allein schützte nicht gegen die eisigen Temperaturen. Ich zündete mir eine Zigarette an, um wenigstens etwas Warmes am Körper zu spüren.
Fünfzehn Minuten später kam der Zug. Er war fast leer. Nur ein paar Penner schliefen breitbeinig auf den Sitzen. Ich legte Carla auf den Sitz am Fenster, setzte mich neben sie, fasste ihre Hand und schloss die Augen.
Als ich sie wieder aufschlug, fuhren wir bereits in Caballito ein, es war zwanzig vor fünf. Sieben Minuten später stiegen wir in Once aus.
Ich war vollkommen erschöpft, aber ich musste weiter so tun, als ob Carla betrunken wäre, und sie neben mir herschleppen. Zum Glück traf ich auf keinen Polizisten und verließ den Bahnhof über die Cangallo, denn das erschien mir sicherer als die Pueyrredón. Ich klopfte an die Scheibe eines Taxis, und wir stiegen ein.
»Gurruchaga Ecke Cabrera«, sagte ich.
Der Fahrer, der gerade ein Nickerchen gemacht hatte, musterte uns kurz im Rückspiegel, hob die Schultern und ließ den Wagen an.
Kurz nach fünf klopfte ich an Espiños Metallgitter. Nach ein paar Minuten hörte ich die typischen Schlurfgeräusche, die Espiño machte, wenn ich ihn mitten in der Nacht weckte.
»Ich bin’s, Gallego«, sagte ich vernehmlich.
Er zog das Gitter ein Stück hoch und schaute darunter hervor.
»Herrschaftszeiten, was ist denn los?«, maulte er schlaftrunken.
»Darf ich vorstellen: Carla Forrester«, sagte ich und deutete auf das Bündel auf meinem Rücken.
Der Gallego war mit einem Schlag hellwach und half mir, sie ins Lokal zu tragen.
31
Als ich aufwachte, sah ich als Erstes auf meine Armbanduhr: zwölf Uhr mittags. María lag eingerollt neben mir. Ich war zu groggy gewesen, um noch ins Büro zu gehen, und Espiño hatte mir angeboten, bei ihm zu schlafen. María hatte selig gelächelt, als ich zu ihr ins Bett geschlüpft kam. Sie hatte noch den ein oder anderen Annäherungsversuch gemacht, aber bei mir war beim besten Willen nichts mehr zu holen.
Espiño hatte sich um Carla gekümmert, und ich hatte mir ausbedungen, er sollte mich sofort wecken, sobald sie aufwachte.
Behutsam löste ich mich aus Marías Umarmung. Ich war nicht mehr müde. Ich zog mich an und ging schnell ins Lokal, dessen Rollläden immer noch geschlossen waren. Espiño saß am Tisch und hatte ein Auge auf Carla, die auf einer Matratze am
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