Falsetto
Garderobe geschickt hatte, war ebenfalls gekommen.
Kardinal Calvino, um den sich ein Dutzend junger Adeliger ge-schart hatte, die sich angeregt beim Wein unterhielten, war nur einer von vielen anwesenden Kardinalen.
Plötzlich kam ein Mann durch die Sitzreihen hindurch auf das Orchester zugestürmt. Er formte die Hände zu einem Trichter und stieß einen langen, höhnischen Ruf aus. Guido erstarrte.
Er war wütend, weil er den Mann nicht verstehen konnte.
Dann schneite es plötzlich von den Dachbalken herunter kleine weiße Blätter, und überall standen Leute auf, um sie zu fangen.
Die Zuschauer hatten zu pfeifen und zu stampfen begonnen.
Es war Zeit für Guido, hinauszutreten.
Er schloß die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand.
Dann spürte er, wie ihn jemand schüttelte. Er biß die Zähne zusammen, bereit, diesen letzten Moment des Friedens für sich einzufordern.
»Sehen Sie sich das an!« Es war Ruggerio, der eines jener Blätter in der Hand hielt, die von oben herabgeflattert waren.
Guido griff hastig danach, hielt es ans Licht. Es war ein plumpes Sonett, in dem behauptet wurde, daß Tonio in seiner Heimatstadt nichts als ein Gondoliere gewesen sei und daß er dorthin zurückkehren sollte, um auf den Kanälen die barcarola zu singen.
»Das ist schlecht, das ist schlecht«, murmelte Ruggerio. »Ich kenne diese Sorte Publikum, solche Zuschauer können die Vorstellung sprengen! Sie werden überhaupt nicht zuhören.
Für sie ist es alles nur ein Spaß, sie haben einen Venezianer, den sie verhöhnen können, und Bettichino ist ihr Liebling. Sie werden uns fertigmachen.«
»Wo ist Bettichino?« wollte Guido wissen. »Er ist dafür verant-wortlich.« Er drehte sich um, hatte die Fäuste geballt.
»Maestro, für solche Dinge haben wir jetzt keine Zeit mehr.
Abgesehen davon lassen sich die Zuschauer von Bettichino nichts sagen. Alles, was sie wissen, ist, daß die Theater wieder geöffnet haben. Außerdem hat Ihr Junge ihnen mit seinen Allüren nur Vorschub geleistet. Wenn er doch nur einen Bühnennamen angenommen hätte, wenn er sich nicht immer so verdammt aristokratisch gegeben hätte und was dazu kommt ...«
»Ach, seien Sie still!« sagte Guido. Er schob den Impresario von sich weg. »Warum zum Teufel sagen Sie mir das alles jetzt!« Er war außer sich.
Plötzlich kam er sich wie ein Narr vor, und das war ein fürchterliches Gefühl. Was hatte ihn zu glauben veranlaßt, daß dies ein Tribunal wäre, bei dem es edel und gerecht zugehen wür-de? Er eilte auf die Treppe zu.
»Maestro, behalten Sie einen kühlen Kopf«, sagte Ruggireo.
»Wenn die Leute anfangen sollten, mit Gegenständen zu werfen, dann lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, etwas zurück-zuwerfen.«
Guido lachte laut. Er bedachte den Impresario mit einem ver-
ächtlichen Blick, ging dann hinaus und setzte sich ans Cembalo, während sich die Musiker erhoben, um ihn mit einer raschen Verbeugung zu begrüßen.
Als seine Finger das erste frohlockende Thema anschlugen und sich um ihn herum jubelnd Geigenklänge erhoben, da wurde es im Publikum ruhig. Selbst die Zwischenrufe schienen zu verstummen.
Die Musik bildete einen Klangteppich und zerstreute im Augenblick all seine Furcht. Guido spürte, wie er von ihr getragen wurde.
Der Vorhang hatte sich gehoben. Oben auf der Bühne war, von Applaus begrüßt, Bettichino erschienen. Schon ein einziger Blick sagte Guido, daß dieser Mann die perfekte Verkörpe-rung eines Gottes darstellte. Sein blondes Haar schimmerte im Bühnenlicht, seine helle Haut war mit weißem Puder betont.
Guido wußte, daß sich in den Logen Zuschauer von ihren Plätzen erhoben hatten und sich vor dem Sänger verbeugten.
Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, daß Bettichino mit einer Verbeugung zurückgrüßte. Rubino hatte jetzt die Bühne betreten, und dann sah Guido, als er nach oben spähte, auch Tonio.
Trotz der Musik hörte er, wie ein erstauntes Murmeln durch das Publikum ging, das wie das sanfte Raunen klang, das vorhin dem Kronleuchter gegolten hatte.
Es war in der Tat ein besonderes Schauspiel, das sich da bot.
Eine Frau von erlesener Schönheit stand, gekleidet in scharlachroten Satin und goldgestickte Spitze, im Rampenlicht. Tonios Augen, schwarz hervorgehoben, wirkten wie zwei schimmernde Stücke Glas. Er strahlte etwas Gebieterisches aus, obwohl er leblos wie eine Kleiderpuppe wirkte. Das Licht betonte auf wunderbare Weise die Konturen seines Gesichts.
Guido warf abermals einen raschen
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