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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hatte gelacht und gelacht. Aber nein, mein Liebling, tausendmal, so etwas hätte ich nicht fertiggebracht.
    Es war sein eigener unbesonnener Entschluß. Dann wurde ihr Gesicht stets weich. Wenigstens für eine kleine Weile, wenn sie in seinen Armen lag, glaubte sie ihm.
    »... keinen Sinn, so zu trauern.«
    »Wer hat das gesagt?«
    Er drehte sich hastig um und sah, wie sich zwei Gestalten zu-rückzogen, sah schwere schwarze vesti patricie, weiße Perükken. Es waren seine unversöhnlichen und stets wachsamen Amtskollegen.
    Federico war weit, weit weg, beobachtete ihn zusammen mit den anderen von den Arkaden aus. Vier gute Stilette und starke Muskeln, um ihn vor allem Unbill zu schützen. Nur nicht vor dem Wahnsinn, vor der Bitterkeit, vor der Tatsache, daß sie tot war, vor den endlosen und schrecklichen Jahren ohne sie, Jahren und Jahren ... Ein Gefühl der Einsamkeit überkam ihn.
    Er wollte sie bei sich haben, seine Marianna, selbst wenn sie weinend in seinen Armen gelegen hätte, nach Wein verlangt hätte. Dieser trunkene Blick, mit dem sie ihn vorwurfsvoll anstarrte, während sie ihre weißen Zähne bleckte. »Siehst du denn nicht, daß ich jetzt bei dir bin«, sagte er zu ihr. »Wir sind zusammen, und die anderen sind fort, sie können uns nie mehr trennen. Du bist so schön wie eh und je, nein, sieh nicht weg, sieh mich an, Marianna!«
    Und eine kleine Weile war da wieder diese Weichheit, diese Nachgiebigkeit: »Ich wußte, daß du es nicht getan haben konntest, nein, meinem Tonio hättest du das nicht antun können, und er ist glücklich, nicht wahr? Du hast es nicht getan ...
    und er ist glücklich.«
    »Ja, mein Liebling, mein Schatz«, hatte er geantwortet. »Er hätte mich angeklagt, wenn ich es getan hätte. Du hast die Schriftstücke, die er unterzeichnet hat, doch mit eigenen Augen gesehen. Was würde er denn damit gewinnen, wenn er mich nicht anklagte, wenn ich ihm das angetan hätte?«
    Nur die Zeit, um darauf zu sinnen, wie er mich töten kann, das ist es, was er damit gewinnen kann, ach, aber zuerst mußten meine Söhne für das Haus Treschi geboren werden, o ja, alles für das Haus Treschi, für das er geschwiegen hat, Tonio, der Sänger, Tonio, der Fechter, Tonio, der Treschi!
    Würde das Gerede denn nie aufhören?
    Ich sage dir, die Neapolitaner haben tatsächlich Angst vor ihm.
    Sie tun alles, um ihn nicht zu verärgern. Sie sagen, er sei wü-
    tend geworden, als der junge Toskaner ihn beleidigt hat. Er hat dem Jungen die Kehle aufgeschlitzt. Und bei dieser Auseinandersetzung in der Taverne, da hat er den anderen Jungen umgebracht. Er ist einer von diesen Eunuchen, die gefährlich sind, sehr gefährlich...
    Wo ist meine Hure in Schwarz, dachte er plötzlich, meine wunderschöne Dame Tod, meine Kurtisane, die so unerschrocken allein auf der Piazzaspazierengeht? Richte deine Gedanken auf die Lebenden, vergiß die Toten, die Toten, die Toten.
    Ja, ein lebendiger Körper, ein warmer Körper unter diesem ganzen Schwarz, wehe, wenn du nicht wunderschön bist, we-he, wenn du nicht jede Zechine wert bist. Aber wo war sie?
    Das Wasser war, als der Regen nachließ, wieder zu einem klaren Spiegel geworden. In diesem Spiegel sah er jetzt, wie eine große dunkel gekleidete Gestalt auf ihn zukam. Nein, sie stand schon vor ihm.
    »Ah.«
    Er lächelte und blickte dabei auf das Spiegelbild hinunter.
    »Nun, meine kühne, kleine verführerische Schlampe, so weit ist es also gekommen.«
    Aber das einzige Wort, das seine Lippen formten, war: »Wunderschön.«
    Ob sie das sehen konnte?
    Und was ist, wenn ich diesen Schleier nehme und ihn zurück-schlage? Du würdest es nicht wagen, mich reinzulegen, oder?
    Nein, du bist gewiß wunderschön, nicht wahr? Und du wirst affektiert lächeln, geistlos sein und unverschämt! Unter dem Deckmantel der Koketterie wirst du zu feilschen anfangen und dabei die ganze Zeit denken, ich würde dich begehren. Nun, ich habe in all diesen Jahren niemanden begehrt, außer einer einzigen Frau, einer wunderschönen und verrückten Frau:

    »Tonio!«, und sie starb in meinen Armen.
    Sie war ihm jetzt so nahe, diese anonyme Frau in Schwarz, daß er den bestickten Rand ihres Schleiers sehen konnte.
    Schwarzes Seidengarn, fastenzeitliche Blüten, Jetperlen.
    Und dann unter ihrem Schleier irgendeine weiße Bewegung, ihre nackten Hände.
    Ihr Gesicht, ihr Gesicht, ich will ihr Gesicht sehen.
    Sie stand ganz reglos da und ein gutes Stück von ihm entfernt, viel weiter, als er gedacht hatte,

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