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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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während er ihr Spiegelbild im Wasser angestarrt hatte. Sie mußte eine Riesin von einer Frau sein! Oder war er einfach nur verwirrt? Sollte sie sich wieder abwenden, er würde ihr nicht folgen, nicht, wo er soviel Weinbrand getrunken hatte und sich so elend fühlte. Fast hätte er Federico zu sich gewunken.
    Aber sie wandte sich nicht ab.
    Es kam ihm so vor, als würde sich ihr Kopf unter dem langen Schleier sanft zur Seite neigen und sich ihr gesamter langer Körper ihm unterwerfen. All seine verschwommenen und sen-timentalen Gedanken wurden plötzlich durch diese Geste, die
    »Ja«, sagte, zerstreut.
    »Ja, mein Liebling!« flüsterte er, so als könne sie ihn über diese Entfernung hören.
    Ein kleines Grüppchen dunkel gekleideter Männer, die sich durch den Wind vorankämpften, ging zwischen ihnen vorbei, trennte ihn von ihr. Er aber hielt seinen Blick auf die einsame, verlockende Gestalt geheftet, die ihn hinter ihrem Trauerschleier hervor anstarrte.
    Gerade, als er Angst bekam, er könnte sie aus den Augen verloren haben, sah er über die Schulter eines Mannes hinweg, der sich vor ihr befand, wie sie den Schleier mit ihren weißen Händen hob. Dann sah er ihr Gesicht.
    Einen Augenblick lang war er wie betäubt.
    Sie entfernte sich. Er wußte, daß er nicht so betrunken war, um irgendwelche Phantasiebilder zu sehen. Sie war wunderschön! Sie war so wunderschön, wie alles hier wunderschön war, und das hatte sie auch gewußt, als sie auf ihn zugekommen war. Sie war gekommen, als hätte er sie herbeibeschwo-ren, ohne dabei zu stocken, mit einem Gesicht wie eine prächtige Kleiderpuppe, ein Luxusobjekt, eine lebensgroße Puppe.
    Wie Porzellan, so wirkte ihre Haut, vollkommen weiß, und dann diese Augen!
    Jetzt war er es, der ihr folgte. Regenschleier wirbelten in einem silbernen Licht, so daß er fröstelnd die Augen zusam-menkniff, während er versuchte, einen Blick von ihr zu erhäschen. Da sah sie über die Schulter zurück und zeigte ihm wieder ihr Gesicht. Ja, ihr hinterher, ihr hinterher.
    Und jetzt winkte sie ihm kühn.
    Oh, das war außergewöhnlich, überaus köstlich und ganz genau das, was er brauchte, um den Schmerz für eine kleine Weile zu besiegen.
    Sie ging immer schneller.
    Als sie dann das Ufer des Kanals, der vor ihnen lag, erreicht hatte, drehte sie sich um.
    Sie zog den Schleier langsam wieder übers Gesicht.
    Aber das war in Ordnung, das war reizend. Er holte auf, jetzt befand sie sich nur noch einige Treppenstufen unter ihm. Ihr Kleidersaum berührte fast das Wasser. Er bildete sich ein, sehen zu können, wie sich beim Atmen ihr Brustkorb hob und senkte.
    »Ebenso unerschrocken wie schön«, sagte er zu ihr, obwohl sie immer noch ein klein wenig zu weit entfernt war, um ihn hören zu können. Sie drehte sich um und winkte einen Gondoliere herbei.
    Er sah, wie sich seine Männer hinter ihm sammelten. Er sah, wie sich Federico näherte.
    Da wandte er sich wieder dem Kanal zu und ging eilig zu ihr hinunter, stieg schwer und unbeholfen in das Boot, das unter ihm zu schaukeln anfing, so daß er, als er ihr in die geschlossene felze nachkam, fast hingestürzt wäre.
    Als er auf dem Sitz Platz nahm, spürte er den Taft ihres Kleides an seinem Bein.
    Das Boot fuhr los. Der Gestank des Kanals drang ihm in die Nase. Sie erhob sich jetzt vor ihm, ihr Atem bewegte leicht diesen herrlichen Schleier.
    Einen Augenblick lang mußte er nach Luft schnappen.

    Sein Herz hämmerte, er schwitzte, weil er so gerannt war.
    Aber er hatte sie jetzt hier bei sich in der Gondel, obwohl er sie im Lichte der geteilten Vorhänge kaum sehen konnte.
    »Ich möchte es sehen«, flüsterte er, während er gegen einen häßlichen Schmerz in seiner Brust ankämpfte. »Ich möchte es sehen ...«
    »Was möchten Sie sehen...?« flüsterte sie zurück. Ihre Stimme war heiser, tief und vollkommen furchtlos. Und sie sprach Venezianisch, ja, Venezianisch, wie er es erhofft hatte!
    Er lachte in sich hinein.
    »Das!« Er packte ihren Schleier. »Dein Gesicht!«
    Dann stürzte er sich auf sie, drückte seinen geöffneten Mund auf den ihren und preßte sie dabei in die Kissen. Sie versteifte sich, hob die Hände, um ihn abzuwehren.
    »Was hast du denn gedacht?« Er richtete sich wieder auf, leckte sich die Lippen und sah direkt in ihre schwarzen Augen, die in der Dunkelheit als schwaches Schimmern zu erkennen waren. »Hast du gedacht, daß du mit mir spielen kannst?«
    Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck eigentümlichsten Erstaunens. Da

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