Fame Junkies
e …«
»Was ist?«
Statt den Satz zu beenden, fährt er sich nur nervös durch die Haare. Maria stellt eine Tasse Kaffee vor ihn hin. Er nimmt einen Schluck davon und starrt schweigend auf die schimmernde Oberfläche des Pools hinaus. Ich bin verunsichert, warte darauf, dass er weiterredet. »Scheiße, wo bin ich hier nur gelandet«, knurrt er.
Ich verstehe nicht, was er damit sagen will oder wieso seine Stimmung so plötzlich umgeschlagen ist. »Was meinst du damit? Dieses Haus?«
Die Haarspitzen streifen sein Kinn, als er heftig den Kopf schüttelt. »Diese ganze beschissene Stadt. Diese ganze beschissene Szene. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre in Kilgore geblieben.«
»Aber dann … dann wärst du kein Star geworden.«
Auf Rex Dobros Gesicht spiegeln sich Verwirrung … Begreifen … und schließlich Abscheu. Er sieht aus, als hätte er ein Stück verdorbenes Fleisch im Mund. Was hat er bloß?, frage ich mich.
Er starrt wieder auf die Kamera, dann greift er in seine Jeanstasche, zieht ein Bündel Dollarscheine heraus und zählt vier Hunderter, einen Fünfziger und ein paar Zwanziger ab. »Verkaufst du sie mir?«
»Meine Kamera? Warum denn?« Allmählich verstehe ich gar nichts mehr.
»Keine Ahnung. Ich hab Lust, ein paar Fotos zu machen.«
»Sag mal, was ist denn auf einmal los?«
Aber Rex Dobro kann sehr gut schweigen. Er starrt an mir vorbei auf den türkis glitzernden Pool, und ich spüre, dass er in Gedanken wieder Lichtjahre von hier entfernt ist. Vielleicht will er aber auch nur, dass ich das denke. Er nimmt noch einen Schluck von seinem Kaffee und stellt die Tasse dann entschlossen auf der Theke ab. So laut, dass Maria aufblickt.
Er legt mir eine Hand auf die Schulter und ich kann nichts dagegen tun, dass ich denke: Oh Gott, er fasst mich an. Rex Dobro fasst mich an.
»Bleib, wo du bist, okay?«, sagt er. »Ich bin gleich wieder da.« Dann lässt er sich vom Hocker gleiten und joggt aus der Küche. Ich werfe Maria einen verwunderten Blick zu, aber die zuckt nur mit den Schultern und fängt an, die Spülmaschine einzuräumen. Klar. Wahrscheinlich hat sie in diesem Haus schon viel merkwürdigere Sachen erlebt.
Ich sitze da wie betäubt und frage mich, was die Szene eben zu bedeuten hatte. Mechanisch greife ich nach der Kamera, schalte sie ein und beginne die gestrigen Aufnahmen durchzusehen. Willow im Schuhgeschäft (sie hält gerade die roten Manolos in die Höhe, die sie mir für die Party geschenkt hat). Willow mit ihrer besten Freundin Anne-Marie am Pool. Willow und Anne-Marie, die sich für die Party stylen und den gesamten Inhalt ihres begehbaren Kleiderschranks durchprobieren. Und dann das letzte Bild, an das ich mich erinnere – Willow in ihrem kurzen pinkfarbenen Kleid auf der Terrasse, wo sie die ersten Gäste begrüßt. Aber der Zähler sagt, dass sich noch sechs weitere Fotos im Speicher befinden. Sehr seltsam. Was ist passiert? Erst ist meine Kamera nach dem Aufwachen nicht mehr dort, wo ich sie ganz sicher hingelegt habe. Und dann sind plötzlich viel mehr Fotos darauf, als ich gemacht habe.
Ich klicke weiter … und erstarre. Im Display erscheint ein Foto, das ich ganz bestimmt nicht aufgenommen habe. Und zwar aus gutem Grund.
Aber das spielt jetzt kaum noch eine Rolle. Erst als ich ausatme, merke ich, dass ich die Luft angehalten habe. Mein Herz klopft wie wild. Ich habe Gänsehaut auf den Armen und spüre, wie mir der kalte Schweiß ausbricht.
Auf meiner Kamera ist ein Foto, dessen Existenz alles verändert.
JAMIE
Oktober, 9. Klasse – NYC
Sobald der Unterricht beendet war, rannte ich zur Fifth Avenue, um meinen Beobachtungsposten vor dem Haus Nummer 63 zu beziehen. Falls Naomi Fine mit einer Babykugel unterm T-Shirt zur Vordertür herauskam und ich nicht da war, um den Moment festzuhalten, würde Carla mir den Kopf abreißen.
»Ah! Der Nachwuchs ist auch schon da!«, rief ein Videofilmer namens Davy, als ich atemlos um die Ecke bog. Insgesamt trieben sich etwa ein Dutzend Paparazzi vor dem Eingang des hohen Backsteingebäudes mit dem dunkelgrünen Baldachin herum. Davy war einer der netteren. Es gab andere, die keinen Moment zögern würden, handgreiflich zu werden, wenn man ihnen eine Aufnahme verpfuschte.
»Geh lieber nach Hause und mach deine Hausaufgaben«, lachte er. »Du solltest den Job Leuten überlassen, die wirklich davon leben müssen.«
Eine Kollegin, die Lynn hieß, immer eine Khakiweste mit unzähligen Taschen trug und zwei oder drei Kameras um
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