Fame Junkies
Klicken der Auslöser wurde noch hektischer. Verliert ein Promi in der Öffentlichkeit die Nerven, vervielfacht sich der Wert seines Fotos. Das meiste von dem, was Marco auf Englisch brüllte, war nicht jugendfrei, was die Sache für die Paparazzi noch besser machte.
»Sieht ganz so aus, als hätten wir einen wunden Punkt getroffen, Marco!«
»Stimmt, wo ist Naomi eigentlich vor drei Monaten gewesen?«
»Hey, hat sie da nicht in Montana diesen Rodeofilm mit Anthony Impalino gedreht?«
»Vielleicht bekommt sie einen Tony junior!«
Marcos Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, er ballte die Hände zu Fäusten. Er schien kurz davor, den schlimmsten Fehler überhaupt zu begehen. Einen Fehler, der ihn wirklich etwas kosten würde. Je enger die Paparazzi um ihn zusammenrückten und Fotos schossen – hauptsächlich, um ihn zu provozieren – desto schneller schlug mein Herz. Würde Marco ihnen in die Falle gehen und um sich schlagen? Er musste doch wissen, dass er in null Komma nichts eine Millionenklage am Hals haben würde, oder? Anscheinend wusste er es. Im letzten Moment presste er die Lippen zusammen, drängte sich entschlossen durch den Pulk der Fotografen und ging mit großen Schritten in das Gebäude, wohin ihm keiner folgen konnte.
Ab da ging alles wie im Zeitraffer. Die Paparazzi stoben nach allen Richtungen auseinander, um so schnell wie möglich zu ihren Autos, in ihre Wohnungen oder Studios zu kommen und die Bilder hochzuladen und an ihre Agenten und Auftraggeber zu schicken. Der, dessen Agent es als Erster schaffte, die Aufnahmen des fluchenden und schimpfenden Marcos ins Netz zu stellen, wo die Redakteure der einschlägigen Zeitschriften und Webseiten sie ansehen und kaufen konnten, würde eine nette Summe Geld verdienen.
Zum Glück hatte ich es nicht weit nach Hause. Ich rannte die Fifth Avenue herunter und bog rechts in die 11th Street ein. Elena war gerade dabei, Alex sein Abendessen zu füttern, was jedes Mal ein ziemlicher Akt ist, weil der Großteil des Essens dabei unweigerlich auf seinem Lätzchen landet. Mein Bruder darf nur pürierte Nahrung zu sich nehmen, sonst würde er Gefahr laufen, sich zu verschlucken und womöglich zu ersticken. Als Alex mich sah, ruderte er mit den Armen und stieß freudige Kehllaute aus.
»Hey, Elena. Hey, Axy Waxy«, begrüßte ich die beiden im Vorbeirennen. Wenn ich es nicht so eilig gehabt hätte, wäre ich stehen geblieben und hätte ihm die Haare gezaust. Alex hat die flaumigsten Haare, die man sich nur vorstellen kann. Ich weiß, dass Körperkontakt und Nähe für ihn sehr wichtig sind, das haben die Ärzte uns von Anfang an immer wieder ans Herz gelegt. Aber an diesem Abend musste ich so schnell wie möglich an meinen Rechner, um Carla meine Ausbeute zu mailen. Alex – der in seinem Stuhl festgeschnallt war – beugte sich so weit vor, wie er konnte, und gab tiefe gutturale Laute von sich. Das war seine Art mir zu sagen, wie traurig er darüber war, dass ich nicht stehen blieb, um ihm richtig Hallo zu sagen.
Ich lud die Aufnahmen in mein MacBook, grenzte die Auswahl auf ein paar Dutzend ein und schickte sie Carla. Ich hatte sie schon von unterwegs aus angerufen und ihr die auflageträchtigen Fotos des wutentbrannten Starfriseurs Marco angekündigt. (Dass ich mich nicht aktiv an den Provokationen der »Stalkerazzi« beteiligt hatte, hielt mich nicht davon ab, von ihren fragwürdigen Methoden zu profitieren).
Kaum hatte ich die Bilder losgeschickt, klingelte auch schon mein Handy. »Gute Arbeit, Jamie«, lobte Carla. »Und ich weiß auch schon einen Abnehmer für die Fotos. Wenn du Glück hast, bekommst du so viel dafür, dass du dir endlich das neue Teleobjektiv kaufen kannst, von dem du die ganze Zeit redest. Bis später.« Und schon hatte sie aufgelegt. Sie musste mit Redakteuren verhandeln. Ich ging auf die Website, auf der sie die Aufnahmen zur Ansicht ins Netz stellte. Die Seite ist durch ein Computerprogramm geschützt, das die Bilder unscharf darstellt und sie mit einem großen C für »Copyright« überschreibt, damit kein Unberechtigter sie verwenden kann.
Anschließend surfte ich noch ein bisschen im Netz herum. Noch war kein Foto von Marco zu finden. Als ich schnell bei Facebook vorbeischaute, sah ich, dass Nasim auch gerade online war. Ich chattete ihn an.
»Hey! Bin wieder zu Hause und hab ein paar gute Fotos von Naomis Freund, dem Friseur. Die anderen haben ihn so provoziert, dass er fast ausgerastet wär e …«
»Und sie?«
»Ist
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