Fame Junkies
verboten hatten, bei der Realityshow mitzumachen.
Ich freute mich total, als er anrief und fragte, ob ich Lust hätte, mich mit ihm im El Caribe zu treffen, unserem kleinen kubanisch-chinesischen Stammlokal. Wir bestellten geschnetzeltes Rindfleisch, frittierte Kochbananen und einen riesigen Teller schwarze Bohnen mit gelbem Reis. Avy sah aus wie ein Surfer – er war braun gebrannt und in seinen dunklen Locken leuchteten von der kalifornischen Sonne blond gebleichte Strähnchen. Aber auch sonst wirkte er irgendwie verändert.
»Sag mal, bilde ich mir das nur ein oder kann es sein, dass du größer und dünner geworden bist?«, fragte ich. Als er mich anstrahlte, fiel mir auf, dass auch seine Zähne viel weißer aussahen als früher.
»Ich bin fast drei Zentimeter gewachsen«, bestätigte er stolz. »Der Arzt meint, dass ich wahrscheinlich so um die eins achtzig werde.«
»Wow. Und wie war der Kurs? Seit wann bist du überhaupt wieder da?«
»Seit einer Woche und der Kurs war genial. Ich hab wahnsinnig viel gelernt.«
»Seit einer Woche schon? Und warum hast du dich dann nicht früher bei mir gemeldet?«
»Erzähl ich dir gleich. Zuerst will ich wissen, wie dir dein Job gefällt.«
»Geht so.« Ich zuckte lustlos mit den Schultern. Mein Ferienpraktikum in einem Fotostudio hatte sich als ziemlicher Reinfall entpuppt. Eigentlich hockte ich die ganze Zeit nur vorm Computer und radierte per Photoshop Pickel von den Gesichtern von Hochzeitspaaren, ließ Doppelkinne verschwinden und straffte schwabbelige Oberarme.
»Hast du denn zwischendurch auch ein paar gute Promis vor die Linse bekommen?«
»Schön wär’s. Aber die meisten flüchten im Sommer aus der Stadt. Hätte ich auch lieber gemacht. Es war einfach nur heiß und langweilig hier. Aber davon mal abgesehen hab ich schon seit Monaten kein gutes Foto mehr geschossen.«
»Und was ist aus dieser Exklusivstory über Alicia Howard geworden?«
Ich winkte ab. »Gar nichts.« Die Erinnerung daran versetzte mir immer noch einen Stich. Ich hatte mich so auf den Job gefreut und mit meiner Mutter schwere Kämpfe ausgetragen, bis sie mir endlich erlaubte, dafür ausnahmsweise die Schule ausfallen zu lassen. Den Stress hätte ich mir und ihr lieber ersparen sollen. Während der zweieinhalb Tage, die ich Alicia begleitete, merkte ich ziemlich schnell, dass es ihr eigentlich egal war, dass wir praktisch im selben Alter waren. Sie war zwar sehr nett, wahrte aber immer eine gewisse Distanz und behandelte mich so wie sie wahrscheinlich jede andere Fotografin auch behandelt hätte. Aber das Niederschmetterndste war, dass sie am Ende keine meiner Aufnahmen verwenden wollte.
»Aber dein Geld hast du bekommen, oder?«
»Ja schon, aber darum ging es mir doch gar nicht. Wenn du in einem Werbespot mitspielst, willst du doch auch, dass er ausgestrahlt wird, oder?«
»Stimmt. Hast du denn erfahren, warum sie deine Bilder nicht verwendet haben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Carla meinte, dass Alicia die Fotos selbst bezahlt hat und deswegen mit ihnen tun und lassen kann, was sie will. Vielleicht hat sie ihre Pläne einfach geändert oder fand sich darauf hässlich, was weiß ich.« Und weil das so furchtbar deprimiert und negativ klang, rang ich mir ein Lächeln ab und fügte hinzu: »Aber hey, das ist Teil des Geschäfts. So was kann immer wieder passieren, davon darf man sich nicht unterkriegen lassen. Im Herbst, wenn alle aus dem Urlaub zurückkommen, wird es bestimmt wieder besser.«
Avy nickte aufmunternd, dann stützte er die Ellbogen auf den grauen Kunststofftisch und beugte sich mit leuchtenden Augen zu mir vor. Ich sah ihm an, dass er mir eine wichtige Mitteilung zu machen hatte. »Ich gehe wieder nach L.A. zurück.«
»Was? Für wie lange denn?«, fragte ich.
»Für … immer.«
»Ach komm! Hast du eine Rolle bekommen?«, fragte ich gespannt. »Nein, sag nichts! Sie haben dich für eine Fernsehserie gecastet!«
»Noch nicht.«
»Aber … wieso gehst du dann zurück?«
»Weil man als Schauspieler einfach in L.A. sein muss. Da sind alle wichtigen Leute und die Studios.«
»Und was ist mit der Schule?«
»Scheiß auf die Schule.« Avy zog ein Zugticket aus der Tasche: New York – Chicago – L.A.
Ich sah ihn verwundert an.
»Ich hab alles perfekt organisiert, Wondergirl«, sagte er. »Du hast die ganze Woche über nichts von mir gehört, weil ich damit beschäftigt war, meine Sachen auf eBay zu verkaufen und mir ein Zimmer zu suchen.«
»Avy, du bist
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