Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
dem Genuss der Pflanze unruhig, erregt, legten sich plötzlich nieder, um gleich darauf wieder aufzustehen, und waren unsicher auf den Beinen. Ihre Atmung wurde schwach und schnell, das Sehvermögen wurde beeinträchtigt, bis sie sich schließlich zuckend in einem Todeskrampf wanden.
» Jetzt wird mir vieles klar!«, rief sie erregt, » Bôs Atemprobleme hängen unmittelbar mit dem Tabak zusammen.« Wie zum Beweis begann der Buschmann tatsächlich zu husten. Allerdings beruhigte er sich schnell, da er nicht mehr als zwei Züge von dem giftigen Kraut geraucht hatte.
» Wie lange rauchst du das Kraut schon?«, wollte sie wissen. » Erst seit wenigen Monden«, gab Bô zurück. An seiner Miene konnte Jella sehen, dass er enttäuscht war, dass Nakeshi seinen Tabak dem Feuer überlassen hatte. » Hast du noch andere Beschwerden als deinen Husten?«, forschte sie vorsichtig nach. Sie befürchtete, dass das Gift bereits Magen, Darm und Leber angegriffen haben könnte. Bô gab bereitwillig Auskunft. » Meine Ausscheidungen sind in letzter Zeit weich, und es drückt mich hier in der Seite. Wirst du mir auch dafür eine Medizin geben?«
» Natürlich!« Jella versuchte ihrer Stimme etwas Hoffnungsvolles zu verleihen, dabei sorgte sie sich ernsthaft. Bôs gesamte Gesundheit war durch den Giftanschlag in Mitleidenschaft gezogen. Es war durchaus möglich, dass sein Organismus bereits irreparabel geschädigt war. Im Moment blieb ihr leider nichts anderes übrig, als ihm eine leichte Diät zu verordnen – was sich im Leben der Buschmänner nicht so ganz einfach gestalten ließ – und ihm einen leberstärkenden Kräutersud zu verabreichen.
Als die Sonne schon fast untergegangen war und nur noch als orangefarbener Streif vor dem nachtblauen Himmel stand, suchte Jella nach Nakeshi, die sich schon längere Zeit zurückgezogen hatte. Sie fand ihre Freundin abseits der Buschmanngruppe auf einer kleinen Kuppe kauernd und in die Ferne starrend. Wortlos setzte sie sich neben sie, um zu beobachten, wie sich der Himmel völlig verdunkelte. Es war Neumond, sodass die Nacht bis auf den strahlenden Sternenhimmel besonders dunkel war. Ein Kudubulle brüllte ungehalten in der Nähe, und in den Ästen und Zweigen suchten sich die Tokos lautstark ihren nächtlichen Ruheplatz. Keine von beiden Frauen sagte ein Wort. Schweigend lauschten sie in die Savanne, die mit ihren überraschenden Geräuschen nie zur Ruhe zu kommen schien. Jella dachte an ihre Tochter, die jetzt irgendwo im fernen Berlin weilte und dort trotzig, wie sie es einst selbst gewesen war, ihrem Schicksal die Stirn bot. So gerne Jella sie wieder bei sich in Afrika gehabt hätte, so stolz war sie auf sie. Ricky hatte sich für einen schwierigen Weg entschieden und ließ sich anscheinend selbst durch den schrecklichen Unfall nicht aus der Bahn werfen. Unermüdlich arbeitete sie daran, ihre Verletzung völlig auszukurieren. Aus langjähriger Erfahrung als Ärztin wusste Jella, dass ein komplizierter Knöchelbruch ihre Tochter für immer beeinträchtigen konnte. Sie wünschte ihr von Herzen, dass es für sie glimpflich ablief …
» Du denkst an Ricky«, unterbrach Nakeshi plötzlich das Schweigen. » Weißt du, ob es ihr am anderen Ende des großen Wassers gut geht?«
Jella ließ nachdenklich etwas Sand durch ihre Finger rieseln. » Nein«, sagte sie entschieden. » Sie möchte aber, dass ich es glaube. In Wahrheit hat sie es nicht leicht – wie Debe.«
» Debe hat uns verraten«, meinte Nakeshi verbittert. » Die Llangwasi werden ihn dafür verfolgen und bestrafen. Und Bô wird sterben, weil wir Debe keine guten Eltern waren. Jeder bekommt, was ihm zusteht.«
Noch nie hatte Jella ihre Freundin so verhärtet erlebt. Es erschreckte sie, und gleichzeitig tat sie ihr leid. Worte konnten ihr in ihrer jetzigen Lage nicht helfen, aber vielleicht die Geisterwelt? Jella kam der Gedanke mit einem Mal gar nicht mehr so abwegig vor. Konnte es nicht eine Art von psychischer Heilung bedeuten, wenn sie Nakeshi zu einer Geistreise ermunterte? Schon einmal, vor vielen Jahren auf ihrer Flucht durch die Namibwüste, hatte sie mit der Buschmannfrau eine Art Trancezustand durchlebt, der ihr im Nachhinein viel Klarheit für ihr eigenes Leben verschafft hatte. Es war einen Versuch wert. Sie nahm Nakeshis kleine, abgearbeitete Hand in die ihre und drückte sie. Wie viel Kraft hatte ihr die Buschmannfrau in ihrem Leben bereits gegeben! Vielleicht hatte sie jetzt die Möglichkeit, etwas davon
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