Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
zurückzugeben? Ohne groß darüber nachzudenken, fing sie an, ihren Oberkörper immer wieder hin und her zu bewegen und eine monotone, wortlose Melodie zu summen. Nakeshi sah sie überrascht an, aber als Jella keinerlei Anstalten machte, damit aufzuhören, verstand die Buschmannfrau und fiel in ihren Gesang ein.
Jella wunderte es nicht mehr, als plötzlich der große Schlangenkopf vor ihrem Gesicht auftauchte und ihre wiegenden Bewegungen im Gleichklang mit ihr durchführte. Sie hatte ihn im Grunde ihres Herzens längst erwartet. » Mein Freund«, sagte sie mit einer Zärtlichkeit, die angesichts ihrer Schlangenphobie kaum erklärbar war. Die längs geschlitzten Augen des Reptils fixierten sie, als wollten sie, dass sie ihnen eine Frage stellte. » Hilf meiner Freundin Nakeshi, die bösen Geister zu vertreiben«, bat sie den Schlangengott. Das mächtige Reptil schien in ihr Inneres zu sehen, bevor es wieder auf den Boden sank, um ihr den Weg zu weisen. Sie folgte ihm, bis sie die Gegend erkannte, in der einst Nakeshis Vater die Tränensteine für Jellas Vater Johannes geholt hatte. » Was soll ich hier tun?«, fragte sie ihren Beschützer. Doch der hatte sich bereits in Luft aufgelöst. Ratlos blickte sie sich um. Überall war karge Wüste. Der Boden war rissig und ausgetrocknet. Nur vereinzelt standen dürre, laublose Bäume wie krumme Finger in der Öde. Sie erinnerte sich, dass sie nach einem Berg suchen musste, der eine ellipsenähnliche Form hatte. Ein einzelner, hell strahlender Stern prangte am Himmel. Da wusste sie, dass sie ihm folgen musste. Nebel zog aus dem Nichts auf und versperrte ihr die Sicht, in der Ferne hörte sie das Rufen verirrter Seelen. Jella hielt unbeirrt an ihrem Weg fest, auch wenn sie den Leitstern nicht mehr sehen konnte. Doch der Nebel und die Ahnengeister narrten sie, und schließlich stand sie wieder genau da, wo sie aufgebrochen war. Die Angst, in diesem leeren Nichts verloren gegangen zu sein, kroch immer höher und drohte sie zu ersticken. Sie rief nach Nakeshi, doch ihre Sternenschwester schien ihr nicht in die Anderswelt gefolgt zu sein. » Ich muss zurück!« Der Wunsch paarte sich mit Panik und wuchs und wuchs über sie hinaus. Auch der Schlangengott ließ sich nicht mehr sehen. Allein und verlassen stand sie da, bis sie einen heißen Wind auf ihrer trockenen Haut spürte. Erst sachte und leicht, dann immer heftiger und stürmischer werdend. Feine Sandkristalle rasten wie Peitschenschläge über ihre Haut und zwangen sie, ihre Augen zu schließen. Schließlich erfasste sie eine Böe und wirbelte sie durch die Luft. Wild mit den Armen rudernd versuchte sie ihr Gleichgewicht zu halten, doch die Windhose spielte mit ihr wie mit einem hilflosen Blatt. So plötzlich, wie der Wind eingesetzt hatte, so plötzlich hörte er auf. Wie ein achtlos hingeworfenes Spielzeug prallte sie auf dem harten Boden auf. Ihre Knochen schmerzten, als wären sie allesamt gebrochen, bis sie den großen Felsen direkt vor ihren Augen sah. » Der Tränensteinberg«, dachte sie erleichtert. » Ich habe ihn gefunden!« Sie fand den Eingang in die Höhle ohne Schwierigkeiten wieder, allerdings gelang es ihr nicht, sie ohne Weiteres zu betreten. Im Innern der Höhle herrschte ein wildes, rohes und gewalttätiges Treiben. Die Llangwasi jagten die Ahnengeister, die einen leblosen Körper zu schützen versuchten. Jella erkannte Bô, der mit vor Angst geweiteten Augen das Schauspiel verfolgte. Gerade hatten die Llangwasi einen seiner Ahnengeister erwischt und zerrissen ihn wie ein Stück Papier in tausend kleine Teile. Mit schrillem Kreischen löste sich der Ahnengeist auf und zerstob in alle Richtungen. Im gleichen Augenblick wurde Bôs Umriss etwas durchscheinender. Jella begriff, dass er sich ohne den Schutz seiner Ahnen bald auflösen würde. Sie wusste nicht ein noch aus. Wie gerne hätte sie dem Treiben ein Ende gesetzt. Doch was konnte sie gegen die fürchterlichen Dämonen schon tun? Dann fielen ihr Nokomas Worte wieder ein: » Du musst stärker sein als sie. Vertraue auf die Kraft des Schlangengottes!« Sie rief ihn nochmals um Hilfe an. Doch die Riesenschlange kam nicht zurück. » Vertraue auf die Kraft des Schlangengottes!« – bedeutete das, dass sie die Kraft in sich trug? Sie spürte, wie eine gewisse Zuversicht zurückkehrte, die, je länger sie sich auf sie besann, auch noch stärker wurde und sich schließlich in laute Wut umwandelte. » Verschwindet, ihr törichten Geister, und lasst Bô in
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