Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
sich mindestens ebenso viele Sorgen wie Sonja, aber ihre Vorwürfe empfand er als ausgesprochen ungerecht. Isabella kümmerte sich unterdessen um ihre Tochter und führte sie ins Haus. Fritz klopfte seinem Schwager aufmunternd auf die Schulter. » Lass uns schlafen gehen. Wir suchen morgen weiter, dann können wir auch die Spuren besser verfolgen. Deinem Jungen geschieht schon nichts.«
Raffael lächelte ihm bemüht zu. Doch er fühlte sich schrecklich.
Noch vor dem nächsten Morgengrauen versammelten sich die Männer erneut. Die Frauen und Kinder waren noch in der Nacht abgereist. Ein großer Teil der männlichen Gäste war jedoch geblieben, um sich abermals der Suche anzuschließen. Die meisten von ihnen waren Farmer wie die Sonthofens, und da war es Ehrensache, dass man sich untereinander half. Während Raffael die Suche mit den Automobilen koordinierte, stellte Fritz einen Reitertrupp zusammen, mit dem er auch durch unwegsames Gebiet streifen konnte. Sie waren alle aufbruchbereit, bis Raffael auffiel, dass sein Vater noch fehlte. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er ihn auch am Abend zuvor nicht mehr wahrgenommen hatte. Er fragte Fritz und die anderen nach ihm, aber keiner wollte ihn gesehen haben. Auch seine Mutter wusste von nichts. Allerdings machte sie sich keine übermäßigen Sorgen.
» Dein Vater ist in letzter Zeit oft weg. Er kommt und geht, wann er will. Bestimmt lässt ihn die Sorge um seinen Enkel nicht nach Hause kommen.« Raffael bekam bei diesen Worten wiederum ein schlechtes Gewissen. Er hatte geschlafen, während sein Vater die Suche nach seinem Enkel fortgesetzt hatte.
Systematisch suchten die Männer den ganzen nächsten Tag das Gebiet rund um Owitambe ab. Leider waren sämtliche Spuren, die anzeigen konnten, wohin Benjamin geritten war, durch ihre eigenen Spuren verwischt worden. Der Junge blieb verschwunden. Als die gesamte nähere Umgebung erfolglos abgesucht worden war, dehnten sie die Suche aus.
Der alte Johannes war es schließlich, der einen ersten Hinweis gefunden hatte. Er war, wie von Sarah vermutet, die ganze Nacht draußen in der Wildnis geblieben. Allerdings hatte er sich nicht wie die anderen von der hektischen Suche anstecken lassen, sondern erst einmal gründlich nachgedacht. Früher hatte er Benjamin oft mit in die Savanne genommen. Genau wie er liebte sein Enkel die kleinen Hügel von Epongo. Von dort hatte man einen wunderbaren Blick auf den fernen Waterberg, und nirgendwo sonst hatte man einen so schönen Blick auf die Savanne, die dort wie ein Flickenteppich unter einem lag. An diesem Ort hatte er seinem Enkel viele Geschichten erzählt, denen der Junge eifrig gelauscht hatte. Immer wenn Benjamin auf Owitambe weilte, wollte er mit seinem Großvater nach Epongo. Die Hügel lagen im Nordwesten von Owitambe, auf halbem Weg nach Hakoma. Johannes kannte den Weg auch im Dunkeln. Hin und wieder hielt er an und suchte mit seiner Laterne in dem weichen Boden vor sich nach Spuren. Tatsächlich entdeckte er bald Luckys kleine unverkennbare Hufabdrücke. Sie waren erst ein paar Stunden alt und führten genau in die Richtung, die er vermutet hatte. Einen kurzen Augenblick überlegte er, ob er die anderen informieren sollte. Um keine Zeit zu verlieren, aber auch, weil er sich sicher war, dass er den Jungen finden würde, entschloss er sich, die Spuren alleine zu verfolgen. Jetzt, da er das Ziel vor Augen hatte, kam er auch schneller voran. Als er jedoch Epongo erreicht hatte, war von Benjamin weit und breit nichts zu sehen. Johannes, dem mittlerweile jeder Knochen im Leibe von dem Schütteln der Kutsche wehtat, quälte sich vom Kutschbock und leuchtete den Platz ab. Er konnte zunächst nichts entdecken, denn der Untergrund war hier felsig. Wiederholt rief er nach Benjamin, aber niemand antwortete ihm. Müde fuhr er sich mit seiner knotigen Hand über die Stirn und musste einsehen, dass er ohne Licht nichts ausrichten konnte. Also stieg er wieder in sein Gefährt und machte es sich bis zum Morgengrauen darin notdürftig bequem. Als das erste purpurne Licht ihn weckte, lange noch, bevor die Sonne über den Horizont trat, wachte er auf. Seine Glieder waren von der unbequemen Nacht so steif, dass er schon befürchtete, nicht aufstehen zu können. Unter leisen Flüchen gelang es ihm schließlich doch, sich vom Kutschbock zu bewegen. Mit schwerfälligen Schritten erklomm er die Anhöhe und entdeckte schließlich weitere Spuren in einer kleinen Senke, in der ein Kameldornbaum stand.
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