Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
Offensichtlich hatte der Junge sein Pony hier angebunden, denn daneben fand er auch Benjamins Fußabdrücke. Aber wohin war er dann gegangen? Johannes stutzte, als er plötzlich noch einen weiteren Fußabdruck von einem Erwachsenen entdeckte. Er musste von einem Eingeborenen stammen, denn die Abdrücke hatten keine Profile – genau wie die einfachen Sandalen, die von vielen Schwarzen getragen wurden. Die Spuren des Jungen führten weg vom Pferd, aber nicht zurück. Johannes konnte sich zunächst keinen Reim darauf machen. Unter Umständen hatte jemand Benjamin beobachtet und ihm dann, als er am Aussichtspunkt war, das Pony gestohlen. Vielleicht hatte der Junge es bemerkt und war dem Dieb hinterhergelaufen. Falls dies so sein sollte, dann war Benjamin jetzt ganz alleine da draußen! Johannes schauderte. Er hatte plötzlich ein verdammt ungutes Gefühl.
Dritter Teil
1926 – 1928
Vorwürfe
Debe hatte jedes Gefühl verloren. Seit er von der schrecklichen Dunkelheit umschlossen wurde, war er dem Wahnsinn nahe. Die Wildhüter hatten nicht viel Federlesens mit ihm gemacht, als sie ihn aufgegabelt hatten. Die Tatsache, dass er in dem Wildschutzgebiet ein Gewehr bei sich hatte, war ihnen Beweis genug dafür, dass er ein Wilderer war. Sein Leben war ihm ohnehin so sinnlos erschienen, dass er sich ohne Gegenwehr hatte festnehmen lassen. Doch dann hatten sie ihn in das Fort von Namutoni gebracht und dort der Polizei übergeben. Erst in dem Moment, als er einen Blick in das dunkle Verlies geworfen hatte, war ihm das namenlose Grauen, das ihm bevorstand, in aller Schrecklichkeit bewusst geworden. Für einen Buschmann gab es nichts Schlimmeres, als eingesperrt zu sein. In einem verzweifelten Aufbegehren hatte er versucht, seinem Schicksal zu entgehen. Er hatte sich wie ein Wilder gebärdet, um sich geschlagen und versucht davonzulaufen. Doch die Männer waren schneller gewesen. Sie hatten ihn gepackt und grob in das dunkle Loch gestoßen. Umhüllt von dichter Finsternis und feuchter Kälte war er endgültig allein. Das Wissen, von allen Seiten von dunklen Mauern umgeben zu sein, war für ihn unerträglich. Sein ganzes Leben hatte er unter freiem Himmel verbracht und sich der Obhut der Sterne anvertraut. Ihm war, als hätte man ihm die Luft zum Atmen geraubt. Wie ein erstickender Sandsturm überrollte ihn Panik. Sein Herz begann zu rasen, und er schrie aus Leibeskräften. Niemand schenkte ihm Beachtung. Es war, als gäbe es ihn nicht. Je verzweifelter er wurde, desto größer wurde auch wieder sein Verlangen nach Alkohol. Es kroch wie eine Schlange durch seine Eingeweide und verzehrte ihn von innen heraus. Bald war es so groß, dass er wie ein kleines Kind zu wimmern begann. Schweißausbrüche wechselten sich mit Schüttelfrost ab. Und nichts geschah, um sein Leid zu lindern. Schließlich war er so ausgelaugt, dass er zusammengekauert auf dem kühlen Lehmboden liegen blieb und in einen todesähnlichen Schlaf fiel. Als er wieder zu sich kam, fühlte er neue Zuversicht. Mit ausdauernder Akribie begann er damit, in der Dunkelheit Zentimeter für Zentimeter seines Verlieses abzutasten. Er versuchte herauszufinden, ob er sich irgendwo würde durchgraben können. Doch der Lehmboden war hart und die Mauern aus massivem Stein. Ohne Werkzeug war hier nichts zu machen. Außer einer Pritsche mit einem übel riechenden Strohsack befand sich nichts in dem Raum. Debe kauerte sich wieder auf dem Boden zusammen und wartete. Da es stockdunkel war, verlor er bald jedes Zeitgefühl. Er wusste nicht, wann es Tag oder Nacht war. Zweimal am Tag brachte ihm jemand etwas zu essen. Das war sein einziger Anhaltspunkt. Es war nicht die Einsamkeit, die ihn immer mehr zermürbte, sondern die unerträgliche Dunkelheit, die sehr schnell auch die Llangwasi anlockte. Sie waren plötzlich da gewesen. Für sie stellten die Gefängnismauern kein Hindernis dar. Sie waren ein willkommener Ort, um ihn mit seinen Fehlern zu quälen. Erst lachten sie über ihn, um ihn dann schmählich zu verspotten. Es gab niemanden unter den Geistern, der Partei für ihn ergriff. Debe hielt sich die Ohren zu – umsonst. Viel schlimmer als ihr Hohn waren jedoch die grausigen Visionen, die sie ihm schickten. All die Tiere, deren Tod er zu verantworten hatte, stampften wütend auf ihn zu. Sie umringten ihn und klagten ihn an, weil er sie ohne Würde in das Reich der Anderswelt geschickt hatte. Er spürte ihre Verzweiflung, als wäre es seine eigene. Er fühlte ihre Schmerzen und die
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