Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
gehasst, dass er sein und Rachels Leben zerstört hatte. Hätte er die bürgerliche Rachel als seine Schwiegertochter akzeptiert, so würde er heute mit Jella und Rachel in Deutschland leben. Wie anders wäre sein Leben verlaufen! Doch im Laufe der letzten Jahre hatte er für seinen Vater viel mehr Nachsicht aufgebracht. Der Baron war das Opfer einer untergehenden Spezies gewesen, des preußischen Adels, dem mehr an Regeln und vordergründiger Moral gelegen war als an Selbstbestimmung der Menschen. Auch Johannes selbst gehörte zu einer aussterbenden Generation. Nicht ohne eine gewisse Selbstironie hatte er sich diese Tatsache bewusst gemacht. Als ich in Afrika ankam, habe ich als Erstes meinen Titel als Baron abgelegt. Das fand ich recht fortschrittlich. Doch ich war zu stur, um zu erkennen, dass mein Sohn kein guter Farmer geworden wäre. Er ist ein guter Junge, ein tüchtiger Anwalt, dachte er. Ich muss es ihm bei Gelegenheit sagen. Plötzlich stolperte seine Stute, und er schrak für einen Moment aus seinen Gedanken auf. Westlich von Epongo zog eine Gewitterfront auf. Sie war noch weit entfernt, und so machte er sich weiter keine Sorgen. Sie konnte ebenso gut wieder abziehen. Seltsamerweise ballten sich nun im Osten ebenfalls Wolken am Himmel. Sie waren für diese Jahreszeit recht ungewöhnlich und bildeten bizarre Formationen. Wie eine Armee marschierten sie über den Himmel, verbanden sich miteinander und nahmen dann die Form eines Gesichts an.
» Rachel!« Johannes’ Stimme klang heiser vor Aufregung. Die Frau, deren Bild er da so deutlich in den Wolken erkannte, sah genauso aus, wie er seine große Liebe, Jellas Mutter, in Erinnerung hatte. Er spürte einen heftigen Stich hinter dem Brustbein. Wie schön sie war! Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass sie ihm zulächelte.
» Ich habe dich mein ganzes Leben lang vermisst«, murmelte er ihr zu. Jetzt lachte sie wirklich. Johannes fasste sich an die Brust. Der Schmerz verdichtete sich und strahlte auf seinen linken Arm aus. Doch er ignorierte es, denn mit einem Mal hörte er sogar ihre Stimme.
» Ich bin gekommen, um für immer bei dir zu sein«, hauchte sie mit einer Stimme, die ihm süß in den Ohren klang. Dann begann sich das Wolkengebilde zu materialisieren und wurde zu Rachel selbst. Sie kam nun direkt auf ihn zu. Verzückt richtete sich Johannes auf seinem Kutschbock auf und streckte ihr die Arme entgegen. Noch einmal spürte er, wie der Schmerz ihm den Atem stahl. Danach fühlte er sich unendlich frei.
*
Kurz vor dem heftigen Gewitter starb Saburi. Sie hatte noch einmal kurz das Bewusstsein erlangt und Jella angefleht, ihren Sohn in Sicherheit zu bringen.
» Er hat uns alle verflucht.« Ihre Stimme klang panisch, ihr Gesichtsausdruck war voller Angst. Ihre Pupillen rollten wie Murmeln in den Augenhöhlen und gaben ihr ein erschreckendes Aussehen. Gelblicher Schaum bildete sich in ihren Mundwinkeln – für Jella eindeutige Anzeichen einer Vergiftung.
» Was hast du zu dir genommen?«, wollte sie wissen.
» Der Affe«, sagte Saburi mit immer schwächer werdender Stimme.
» Hat er dich gebissen?«
Sie schüttelte den Kopf. » Er ist die Krankheit. Er wird alle auf Owitambe …« Ihr fehlte der Atem, um weiterzusprechen. Erschöpft schloss sie die Augen. Dann überfiel sie ein neuer Schmerz, und sie krallte verzweifelt ihre Hände in die Laken. Mit letzter Anstrengung riss sie noch einmal die Augen auf, starrte voller Schrecken auf einen Fleck an der Decke, bevor sich ihr Körper ein letztes Mal aufbäumte.
Sonja und Jella sahen einander entsetzt an. Saburis Tod hatte etwas unmenschlich Grausames an sich gehabt.
» Meinst du, sie hatte Tollwut?« Sonja war leichenblass.
» Unmöglich!« Jella kaute auf ihrer Unterlippe. Diese verdammte Angelegenheit nahm sie mehr mit, als sie es sich zugestehen wollte. » Wenn der Affe der Ursprung war, dann ist die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch viel zu kurz. Meines Wissens war Saburi kaum mit Tieren zusammen. Sie arbeitete den ganzen Tag im Lazarett. Ich glaube eher, sie wurde vergiftet.«
» Vergiftet?« Sonja wich erschrocken einen Schritt zurück. » Aber wer um Gottes willen sollte sie vergiften? Du glaubst doch nicht etwa, es hat etwas mit dieser alten Sangoma-Geschichte zu tun?«
Jella zuckte hilflos mit den Schultern. Sie wollte Sonja nicht auch noch mit ihren eigenen Problemen belasten. » Ich weiß es auch nicht!«, wich sie aus. » Viel wichtiger ist es jetzt zu überlegen, was
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