Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
nun mit Saburis Sohn geschehen soll. Er hat niemanden mehr.«
» Ich werde Teresa fragen«, schlug Sonja vor. » Sie ist ganz vernarrt in den Jungen. Er steckt ohnehin die meiste Zeit bei ihr in der Küche. Ich bin sicher, dass sie ihn aufnehmen wird.«
Draußen blitzte und donnerte es. Ein trockener, heißer Wind fegte über den Hof von Owitambe. Die Luft war voller Elektrizität. Im Stall stampften und wieherten die Pferde vor Angst, während ein gelbliches Grau den Himmel überzog. Jella sah durch das Fenster ihres Labors und überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Saburis Tod würde sich schnell auf der Farm und in den umliegenden Dörfern herumsprechen. Und dann würde das Gerücht um den Fluch wieder aufleben. Die Folgen waren leicht absehbar. Der Aberglauben steckte tief in diesen Menschen. Es war gut möglich, dass sie Owitambe mieden, bis der Fluch aufgehoben war. Und gerade jetzt brauchten sie jede Hand. Mit einem leisen Schaudern dachte sie an ihre Albträume zurück, die sie nur mit Nokomas Hilfe in den Griff bekommen hatte. Sie fuhr sich fahrig durch die Haare, während sie nach einer Lösung suchte.
Von draußen näherten sich Schritte. Einen Augenblick später trat Sarah durch die Tür. Das war ungewöhnlich, denn die alte Frau besuchte nur äußerst selten die Praxis.
» Johannes …«, sagte sie nur. Ihre Augen blickten starr an ihr vorbei. Jella spürte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie packte Sarahs Hände, als ein Blitz für wenige Augenblicke ihr Gesicht gespenstisch beleuchtete.
» Um Gottes willen, sag mir, was los ist!«
Sarah sah durch sie hindurch, als könne sie es selbst noch nicht begreifen. » Die Kutsche, sein Pferd, Johannes, sie sind gerade auf den Hof gefahren«, meinte sie tonlos.
» Was ist mit Vater?« Jella spürte, wie sich ein Band um ihre Brust schnürte. Im gleichen Augenblick, als sie fragte, wusste sie, was mit ihm geschehen war.
» Er ist tot, nicht wahr?«, hauchte sie kraftlos. Draußen setzte endlich der Regen ein. Ein ohrenbetäubendes Prasseln dröhnte von dem Wellblechdach. Sie konnte mit einem Mal das Blut in ihren eigenen Ohren rauschen hören. Es war ein Brausen und Sausen, als stünde sie unter einem Wasserfall. Es überdeckte alle Gedanken; es war, als hätte sie sich aus allem losgelöst. Erst als Sarah sie aufforderte, mit ihr zu kommen, wurde sie zurück in die Realität katapultiert. Verwirrt schüttelte sie den Kopf, als wäre das alles nicht wahr. Dann spürte sie erneut, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte.
Durch den strömenden Regen kämpften sie sich zum Haus. Man hatte ihren Vater bereits ins Haus getragen und auf dem Esstisch aufgebahrt. Sonja und Isabella waren bei ihm, während sich Teresa in der Küche um die Zwillinge und Nuru kümmerte. In diesem Moment, als Jella ihn so daliegen sah, wurde ihr erst klar, was dieser Anblick bedeutete. Mit zögernden Schritten trat sie neben ihren Vater und beobachtete sein Gesicht, die wettergegerbte, faltige Haut, die weißen Bartstoppeln und die wirren Haare, die immer noch eine Spur von Rot in sich trugen. Jemand hatte ihm die Augen geschlossen. Jella bedauerte es, denn sie hätte so gerne noch einmal in seine leuchtend hellen Pupillen geblickt. Dann fiel ihr auf, dass auf seinem Gesicht ein zufriedenes Strahlen lag – fast so, als wäre er glücklich aus dieser Welt geschieden.
» Ach, Papa«, seufzte sie und streichelte sein raues Gesicht. » Warum lässt du uns jetzt auch noch allein?« Sie sank neben ihm nieder und legte ihren Kopf an seine Schulter. Es fühlte sich kühl und fremd an. Langsam richtete sie sich wieder auf; ein Gefühl von Scham kroch in ihr hoch, weil sie in diesem Moment nicht weinen konnte. Sarah stand ebenfalls unbeweglich neben ihr. Sie zeigte keinerlei Regung, sondern blickte nur auf einen entfernten Punkt in der Wand. Jella griff nach ihrer Hand und drückte sie. Sarah wandte ihr den Kopf zu, und dann endlich füllten sich ihrer beider Augen mit Tränen.
*
Wegen der Witterung fanden die Beerdigungen gleich am nächsten Tag statt. Es war ein stürmischer, grauer Tag – schwülheiß, eine Luft zum Schneiden. Saburi wurde gleich am Morgen auf dem kleinen Dorffriedhof beigesetzt, während Johannes erst gegen Abend bestattet werden sollte. Fritz hatte Raffael sowie Imelda und Rajiv noch am Abend zuvor telefonisch verständigt; die brauchten jedoch einige Stunden für ihre Anreise. Auch hatte er den Geistlichen aus Otjiwarongo holen lassen, einen blassen,
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