Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
noch von den Erlebnissen des letzten Abends verwirrt. Am liebsten hätte sie ein Unwohlsein vorgetäuscht und Valentin sofort wieder nach Hause geschickt, doch das wagte sie nicht. Schließlich hatte sie ihn gestern erst versetzt, ein weiteres Mal würde er ihr wohl kaum verzeihen. Nein, sie musste den Abend mit ihm heute durchstehen. Sie nahm die Blumen mit in ihr Zimmer und legte sie achtlos auf die Kommode. Mechanisch fischte sie ein knielanges, helles Sommerkleid aus dem Schrank. Während sie in ihre Seidenstrümpfe schlüpfte und sie an ihrem Mieder befestigte, musste sie unentwegt an den gestrigen Abend denken. Es war wie ein unglaubliches Märchen, das endlich wahr geworden war! Gedankenverloren spielte sie mit dem Ring an ihrem Finger, den sie immer noch trug.
Mukesh!
Ihr Herzschlag begann sich allein bei dem Gedanken an ihn zu beschleunigen. Sie hatte seine Stimme sofort erkannt, obwohl sie ihn seit mehr als acht Jahren nicht gesehen hatte. Der Klang war etwas reifer und männlicher geworden, hatte aber immer noch dieses Warme, Seidige, das sie so geliebt hatte. War das gestern Wirklichkeit gewesen? Oder nur eine Halluzination ihres überdrehten Geistes? Sie traute sich immer noch nicht so recht, daran zu glauben.
» Willst du nicht einsteigen, Riccarda?« Im Geiste hörte sie seine Worte immer wieder. Erst war sie wie erstarrt gewesen, doch dann war sie erschreckt zurückgewichen. Der Schmerz, den er ihr vor Jahren zugefügt hatte, war plötzlich so präsent gewesen, dass sie geglaubt hatte, es würde sie zerreißen. Ihre Hände hatten sich verkrampft. Gleichzeitig waren ihr Tränen in die Augen gestiegen, als sie plötzlich seine Hand auf ihrer Schulter gespürt hatte. Er war aus dem Auto gestiegen und neben sie getreten. Seine dunklen, durchdringenden Augen ruhten voller Besorgnis auf ihr, als er sie erneut ansprach.
» Ich wollte dich nicht erschrecken«, meinte er verlegen. » Verzeih mir!«
Sie löste sich von ihm mit einer abrupten Bewegung. Langsam, ganz langsam gewann sie ihre Fassung zurück.
» Was tust du hier?«, fragte sie tonlos.
» Ich suche dich«, meinte er schlicht. Seine ebenmäßigen Züge mit dem geschwungenen Mund wirkten plötzlich angespannt. » Du willst nichts mehr von mir wissen, nicht wahr?« In seiner Stimme lag hilflose Trauer, fast Resignation. Ricky sah ihn verständnislos an. Erst dann fand sie ihre Sprache wieder.
» Ja, was denkst du denn?«, fragte sie außer sich. » Meinst du etwa, du kannst hier einfach auftauchen und ich erwarte dich mit offenen Armen? Weißt du, wie lange das her ist? Einmal ganz abgesehen davon, was du mir damals angetan hast! Ich habe dir vertraut, und du hast mich nur benutzt, um ein wenig Spaß mit einer Europäerin zu haben.«
» Aber das ist nicht wahr!«, widersprach Mukesh aufgewühlt. » Ich habe immer nur dich geliebt. Seit wir uns zum ersten Mal in der Durbar meines Onkels gesehen haben, hat mein Herz nur für dich geschlagen. Deine einzigartigen Augen haben sich für immer und ewig in mein Herz gebrannt.«
» Du lügst«, behauptete Ricky. Sie musste sich unglaublich beherrschen, denn in ihrem Inneren brodelten ihre Gefühle wie in einem Vulkan. » Du hast dich all die Jahre niemals wieder gemeldet.«
Mukesh war völlig zerknirscht. » Ich habe viel zu spät bemerkt, wie viel du mir bedeutet hast. Mein Onkel hatte mich dazu auserwählt, einer Delegation beizutreten, die ausloten sollte, wie sich die englisch-indischen Beziehungen weiterentwickeln würden. Du weißt, dass ich für die Unabhängigkeit unseres Landes eintrete und darin eine unglaubliche Chance sah, unseren Träumen ein Stück näherzukommen.«
» Ich kann nur hoffen, dass es sich für dich gelohnt hat«, meinte Ricky, um Distanz bemüht. Doch Mukesh ließ sich nicht beirren.
» Natürlich wusste ich, dass du wieder in Afrika warst. Ich wollte dir schreiben, aber dann ließ ich es sein.« Er versuchte ihre Hand zu ergreifen, doch sie entzog sie ihm mit einer entschiedenen Geste. » Mein Vater bestand auf der Hochzeit mit Indira«, fuhr Mukesh betrübt fort. » Ich bin seit meinem vierten Lebensjahr mit ihr verlobt und musste sie heiraten, um uns die Unterstützung der Bergvölker zu sichern. Ich konnte mich gegen die Bräuche in unserem Land nicht wehren.«
Ricky spürte plötzlich einen Groll, den sie nicht mehr zurückhalten konnte. » Warum erzählst du mir das?«, fuhr sie ihn heftig an. » Dein Leben interessiert mich nicht mehr. Ich habe mein eigenes, das
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