Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
jungen Mann, der erst vor Kurzem die dortige Gemeinde übernommen hatte. Die Trauerfeierlichkeiten fanden unter der großen Schirmakazie statt – unweit des Platzes, wo auch Johannes’ Grab ausgehoben worden war.
Die Trauergemeinde war erstaunlich groß. In Windeseile hatte sich Johannes’ Tod herumgesprochen. Alle Arbeiter und ihre Familien, die auf der Farm arbeiteten, aber auch Jellas Patienten aus den umliegenden Dörfern kamen herbei, um noch einmal von dem » guten Baas«, wie sie ihn nannten, Abschied zu nehmen. Jella fühlte sich durch ihre Anwesenheit ein wenig getröstet. Es war die Bestätigung, dass ihr Vater etwas Wunderbares auf Owitambe geschaffen hatte. Gleichzeitig fühlte sie mehr denn je die Verpflichtung, dies in seinem Sinne weiterzuführen. Als der Sarg endlich ins Grab gelassen worden war und jeder von ihnen Johannes noch einmal die letzte Ehre erwiesen hatte, trat Sarah hervor. Sie trug zum ersten Mal, seit sie sie kannten, ihre Himbakleidung, den rindsledernen Lendenschurz und die Erembe, die sie als verheiratete Frau auszeichnete. In ihren Händen trug sie den vom Fleisch gelösten frischen Schädel eines Rindes sowie einen Stab. Sie bat ihren Sohn, den Stab neben dem Holzkreuz in den Boden zu rammen und den Schädel daraufzusetzen. Als Raffael damit fertig war, nickte sie zufrieden und trat wieder zurück. Es war ihre Art, von ihrem Mann Abschied zu nehmen.
Folgenschwere Entscheidungen
Valentin überprüfte feierlich den Sitz seines hellen Anzugs, bevor er sich den Strohhut aufsetzte und nach dem Blumenstrauß griff – rote Rosen und weiße Nelken. Er wusste, dass Ricky diese Blumen besonders gerne mochte. Mit der anderen Hand vergewisserte er sich, dass die kleine Schatulle mit den Ringen noch in der Westentasche steckte. Erst dann verließ er seine Wohnung. Seit Wochen grübelte er darüber nach, wann wohl der günstigste Zeitpunkt war, um Ricky einen Heiratsantrag zu machen. Wenn er es nicht endlich herausfand, war es vielleicht zu spät. Zwar hatte sie ihn tags zuvor wieder einmal versetzt, ihm aber gleichzeitig versichert, dass sie noch ein ganzes gemeinsames Leben vor sich hätten. Wenn das keine Ermunterung war! Nun stand sein Entschluss fest. Heute würde er sie fragen. Verständlicherweise klopfte sein Herz, und er war mindestens so nervös wie damals bei seinem ersten Auftritt als Dirigent. Das gemeinsame Abendessen würde der ideale Rahmen sein. Er hatte in Rickys Lieblingslokal an der Spree einen Einzeltisch in einem Separee bestellt, wo sie ganz unter sich sein würden.
Da er früh dran war, beschloss er, den Weg zu Fuß zurückzulegen. Es war ein herrlicher lauer Sommerabend. Gut gelaunt pfiff er den neuesten Schlager von Efim Schachmeister, » Mein Papagei frisst keine harten Eier«, während er den Straßen in Richtung Nollendorfplatz folgte. Seine Gedanken waren völlig auf die Zukunft mit Ricky gerichtet. Wenn sie einverstanden war, würden sie nach ihrer Tournee heiraten. Alle sich anschließenden Engagements würden sie aufschieben, sodass sie mindestens drei Monate ohne Verpflichtungen waren. In dieser Zeit konnten sie in die Heimat reisen und vielleicht sogar die Hochzeit auf Owitambe ausrichten. Der Gedanke an Afrika hob Valentins Stimmung noch mehr. Den Kopf voller aufregender Gedanken erreichte er endlich den geschäftigen Nollendorfplatz. Von dort aus waren es nur noch wenige hundert Meter bis zur Winterfeldstraße, in der Ricky wohnte. Mit klopfendem Herzen und weichen Knien betrat er das mehrstöckige Haus und klingelte an der Tür von Frau Teitelbaum. Er hörte Schritte nahen, und schließlich öffnete Ricky ihm die Tür. Bevor sie etwas sagen konnte, überreichte er ihr mit einer galanten Verbeugung den Blumenstrauß.
» Valentin! Was ist denn in dich gefahren?«, fragte sie sichtlich erstaunt. Mit einem verlegenen Lächeln nahm sie ihm den Blumenstrauß ab und ließ ihn an sich vorbei in die Wohnung treten. Erst jetzt bemerkte er, dass sie sich noch gar nicht umgezogen hatte. Sie trug immer noch einen Morgenmantel.
» Geht es dir nicht gut?«, fragte er schon enttäuscht.
» Doch, sicher«, meinte Ricky fahrig. » Ich bin nur etwas spät dran.«
Er versuchte sie zu küssen, doch sie entwand sich ihm geschickt und deutete auf den Salon. » Warte dort! Ich will nur noch die Blumen ins Wasser stellen und mich dann rasch fertig machen.«
*
Kaum war Valentin im Salon verschwunden, atmete Ricky laut vernehmbar aus. Sie fühlte sich schwindlig und immer
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