Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
seltsamen anderen Totems, von denen die Herero gesprochen hatten – das alles deutete darauf hin, dass es wieder einmal jemanden gab, der den Menschen auf Owitambe etwas Böses tun wollte. Ihr kam sogleich Saburis unheimlicher Sangoma in den Sinn. Sie hatten lange nichts von ihm gehört. Jella war davon ausgegangen, dass er weitergezogen war. Gab es noch mehr von seiner Sorte? Dann erinnerte sie sich an Nokomas und an Nakeshis Worte.
» Du musst dich den Geistern stellen, wenn du das Unheil abwenden willst.«
Hatte sie nicht am eigenen Leib erfahren, wie sehr dieser Hokuspokus, wie sie diese Zaubereien immer noch heimlich nannte, auch auf ihr Leben Einfluss nahm? Falls dieser Sangoma tatsächlich zurückgekehrt war, dann musste sie etwas gegen seine Machenschaften unternehmen!
Sie nahm den Sack und brachte ihn kurzerhand zu der Stelle, an der für gewöhnlich die Abfälle verbrannt wurden. Eilig stapelte sie etwas Holz auf und zündete es an. Als das Feuer prasselte, warf sie den Sack mitten hinein. Erleichtert sah sie zu, wie alles verbrannte.
Doch es wartete noch mehr Unheil auf die Menschen auf Owitambe. Saburi war nicht im Lazarett erschienen. Gewöhnlich begann sie gleich nach Sonnenaufgang die Räume auszufegen und zu reinigen. Jella schickte jemanden, um in ihrer Hütte nach ihr zu sehen. Dort war sie auch nicht zu finden. Ihr Sohn Nuru hingegen war wie gewöhnlich um diese Zeit bei Teresa in der Küche.
» Er stand heute Morgen früher als sonst vor meiner Tür«, meinte die Köchin. » Das ist an vielen Tagen so. Aber heute ist Nuru sehr müde.« Als Jella das zu Ohren kam, ließ sie den Jungen in ihre Praxis bringen. Sie sah sofort, dass er vor Fieber glühte. Seine rötlichen Augen blickten teilnahmslos an ihr vorbei. Sofort ließ sie ein Bett für ihn herrichten und sorgte dafür, dass ihm jemand Umschläge machte, um das Fieber zu senken. Auch Nuru konnte nicht sagen, wo seine Mutter steckte, nur, dass sie ihn zu Teresa geschickt hatte.
Sie fanden Saburi Stunden später in der Savanne, keinen Kilometer von der Farm entfernt. Zwischen zwei Rosinenbüschen lag ihr Körper bizarr ausgestreckt. Neben ihr saß die grüne Meerkatze und onanierte. Josef und Ezechiel hatten sie auf ihrem Rückweg von der Weide gefunden. Das bisschen Leben, das noch in ihr steckte, gab kaum noch Anlass zu irgendeiner Hoffnung. Die Männer brachten Saburi zu Jella ins Lazarett. Ihre Blicke verrieten, dass sie darüber nicht besonders glücklich schienen. » Saburis Fluch ist wieder da«, meinte Josef düster. Er deutete auf ihren entzündeten Arm. Jeder auf Owitambe wusste davon.
» Das ist eine andere Entzündung«, behauptete Jella entschieden. » Der Fluch ist längst aufgehoben.« Dann erst sah sie, dass an der Hand des entzündeten Armes ein Finger fehlte. Dieses Mal gelang es ihr nicht, ihren Würgereiz zu unterbinden. Sie erbrach sich vor den Augen der erschrocken dreinblickenden Männer. Die fühlten sich in ihrer Meinung nur bestätigt. » Neben Saburi saß der Affe«, sagte Josef angstvoll. » Jeder, der im Dorf krank wurde, hatte vorher den Affen gesehen.«
Nun meldete sich der sonst so schweigsame Ezechiel zu Wort. » Viele von uns wollen, dass Saburi und Nuru gehen. Sie bringen Unglück.«
» Das werde ich auf keinen Fall zulassen«, wies Jella die Männer empört zurecht. Sie hatte sich gerade den Mund abgewischt und machte sich nun daran, die Blutung an Saburis Hand zu stillen. » Saburi und Nuru sind unschuldig, und dieser Zauberer, der hier sein Unwesen treibt, wird es mit mir persönlich zu tun bekommen. Geht an eure Arbeit! Ich will nicht noch einmal so einen Unsinn hören!«
Die Männer zogen ab, aber Jella wusste, dass die Sache noch längst nicht ausgestanden war.
*
Johannes saß auf der Pritsche seiner Kutsche und hing seinen Gedanken nach. Nach dem Regen der letzten Tage war heute der Himmel besonders klar. Die Sicht in die Ferne war so gut, dass er Epongo schon von Weitem sehen konnte. Die kleine Ansammlung von runden Felsen hatte auf ihn eine besondere Anziehungskraft. Nur hier gelang es ihm, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Der Ort strömte eine Ruhe aus, die seiner inneren Unzufriedenheit Einhalt gebot. In letzter Zeit wanderten seine Gedanken immer weiter in die Vergangenheit zurück. Er musste an seinen Vater denken, Baron Gernot von Sonthofen, dessen übersteigerte preußische Disziplin ihn zu einem gefühllosen Machtmenschen gemacht hatte. Wie viele Jahre hatte er ihn dafür
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